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Jacks Briefe

Jacks Briefe

Titel: Jacks Briefe
Autoren: Claudia Romes
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wäre, wenn diese Katelyn wirklich eine Verwandte von ihr gewesen ist? Wäre es dann nicht schön alles über diese Frau herauszufinden? Und wer würde sich mit den Recherchen über ihr Leben, besser auskennen, als ein Historiker, der noch jung und motiviert war und darin womöglich seine erste große, berufliche Aufgabe sah? Jemand wie er.“
    „Ich sag ihnen was.“ Zielstrebig wendet sie sich ihm zu. „Was halten sie davon, wenn wir die Briefe zusammenlesen? Das lässt sich ein Historiker doch nicht zweimal sagen, oder?“
    „Wow!“ Er wirkt sichtlich überrascht. „Das ist natürlich eine einmalige Chance.“ Er schmunzelt ein wenig, um dann voller Eifer zu antworten: „Da sag ich nicht Nein!“
    „Gut“, strahlt sie, „wenn sie heute sonst noch nichts vorhaben, könnten wir gleich anfangen!?“
    „O. k., die Briefe sind noch in meiner Bibliothek, also würde ich sagen …“ Er winkt einladend, während er mit einer Kopfbewegung die Richtung vorgibt. Dann geht er voraus.
    „Ach übrigens, da wir ja jetzt gemeinsame Sache machen“, ruft er und sucht ihren Blick, „ sollten wir ein bisschen persönlicher miteinander werden. Sie dürfen mich jetzt ganz offiziell James nennen. Also weg mit dem „Sie“.
    „Jane!“, ruft sie ihm zu und blickt sich noch einmal um, an diesem Ort, an dem sie den Fund gemacht hatte. Sicher war es hier einmal sehr schön. Und sie fragt sich, wie es hier wohl ausgesehen hat, als Katelyn ihre Briefe las. Vor dreihundert Jahren.

 
     
    Der Clan Hamilton
     
    1692
     
    Nur langsam lichtete sich der Nebel über den Highlands des schottischen Nordens.
    William Campbell stieg von seinem Pferd. Er nahm seinen Hut ab und hielt ihn sich vor die Brust. Die Luft war immer noch durchzogen von beißendem Rauch, den er vergeblich versuchte mit seiner freien Hand zu vertreiben. Jetzt, da er die Kuppe des Hügels von Glencoe erklommen hatte, sah er das Ausmaß des gestrigen Tages direkt vor sich.
    Das Haus der Hamiltons war bis auf seine Grundmauern niedergebrannt. Er suchte die Umgebung nach Fußspuren ab, rief immer wieder deren Familiennamen, ehe er schließlich zu dem Schluss kam, dass hier keiner überlebt hatte. Er hatte den Befehl also erfolgreich ausgeführt. Den Befehl, niemanden unter siebzig am Leben zu lassen. Verkohlte Leichen lagen überall. Teils in den abgebrannten Häusern, teils auf der Dorfstraße. Das Bild, das sich ihm bot, war erschreckender, als alles was er je zuvor gesehen hatte. Dabei hatte er doch nur seine Pflicht als Hauptmann getan. Dennoch überkamen ihn die Schuldgefühle wie ein Schwindsuchtanfall. Vor zwei Wochen hatte er sich, zusammen mit den Soldaten, im Dorf niedergelassen und dort mit ihnen Cognac getrunken. Der Clan hatte die Rotröcke freundlich empfangen, da er selbst mit dem Häuptling Liam Hamilton gut bekannt war. Mehr als einmal hatte er sich für sie alle eingesetzt, sodass der gesamte Clan ihm blind vertraute. Gestern hatte er den Entschluss gefasst anzugreifen, ohne auf die Verstärkung von vierhundert Mann zu warten, welche ohnehin nicht nötig gewesen wäre. Sie hatten leichtes Spiel und ermordeten gnadenlos einen nach dem anderen. Auch Frauen und Kinder. Er hatte gedacht, es würde ihm leichter fallen den Befehl auszuführen, doch dem war nicht so. Inmitten des Massakers erkannte er das Unrecht, welches gerade passierte. Doch es war zu spät. Als sich niemand mehr rührte, erblickte er den jungen Jack, den Sohn des Clanhäuptlings, der sich hinter einer Hütte versteckt hielt. William wollte zumindest diesem Jungen sein Leben lassen und schickte ihn in die Lowlands. Er rief: „Lauf, lauf.“ Und das Kind rannte. Es lief die Hügel hinab bis ins Tal. William ahnte zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass er jenen Jungen schon alsbald wiedersehen würde.
     
    Langsam ritt er zurück zu seinem Gut. Zurück nach Haimsborrow. Er überlegte, wie er es Jack am besten beibringen würde, dass er niemals zurück konnte, zu seinem Clan in die Highlands, nach Glencoe. Jack war nun vollkommen heimatlos. Oder nicht? Was wäre, wenn er sich des Jungen annehmen würde? Wenn er ihn aufziehen würde wie seinen eigenen Sohn? Er würde zusammen mit Katelyn aufwachsen. Wie Bruder und Schwester wären sie. Es wäre sicherlich für beide eine Bereicherung. Er war ein guter Junge. Es würde schon gehen.
    In der Nähe eines Waldstückes war Jack an jenem Tag auf Katelyn getroffen. Ob es wohl zufällig war oder vom Schicksal so bestimmt? Sie war mit ihrer
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