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Jack Reacher 09: Sniper

Jack Reacher 09: Sniper

Titel: Jack Reacher 09: Sniper
Autoren: Lee Child
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war ein hinten spitz zulaufendes Geschoss mit Hohlspitze, wundervoll gegossen, anscheinend Kaliber.308. Emerson rief seinen Cheftechniker oben im Parkhaus an.
    »Ich brauche Sie hier unten«, sagte er.
    »Nein, ich brauche Sie hier oben«, antwortete der Spurensicherer.
     
    Als Emerson die zweite Ebene des Parkhausanbaus erreichte, sah er die Spurensicherer hockend eine Art Kreis bilden und mit ihren Stablampen in einen schmalen Spalt im Betonboden leuchten.
    »Dehnungsfuge«, sagte der Cheftechniker. »Und sehen Sie sich an, was reingefallen ist.«
    Emerson drängte sich durch den Kreis, sah nach unten und erkannte das Blinken von Messing.
    »Eine Patronenhülse«, erklärte er.
    »Die anderen hat der Kerl mitgenommen. Aber die hier ist ihm entwischt.«
    »Fingerabdrücke?«, fragte Emerson.
    »Möglicherweise«, sagte der Spurensicherer. »Nicht allzu viele Leute tragen Handschuhe, wenn sie ihre Magazine füllen.«
    »Wie kriegen wir sie dort raus?«
    Der Cheftechniker stand auf und benützte den Lichtstrahl seiner Stablampe, um einen Verteilerkasten an der Betondecke zu finden. Ganz in der Nähe befand sich einer, aus dem noch nicht angeschlossene Kabel wie Palmwedel sprossen. Auf dem Boden darunter lagen massenhaft Kabelabschnitte in unterschiedlichen Längen. Er suchte ein knapp einen halben Meter langes Stück Erdungskabel heraus, wischte es ab und bog es L-förmig zurecht. Das Kabel war steif und schwer. Vermutlich überdimensioniert für die Neonröhren, die hier installiert werden würden. Vielleicht war das einer der Gründe dafür, dass der Bau wegen Geldmangels stockte. Vielleicht warf die Stadt auch anderswo Geld zum Fenster hinaus.
    Er steckte das Kabelstück in den offenen Spalt und führte es weiter, bis das abgebogene Ende in die Patronenhülse glitt. Dann hob er sie vorsichtig heraus, damit sie keine Kratzer bekam, und ließ sie in einen Klarsichtbeutel für Beweismaterial fallen.
    »Wir treffen uns im Präsidium«, sagte Emerson. »In einer Stunde. Ich sehe zu, dass ich einen Staatsanwalt auftreibe.«
    Er ging davon, wobei er darauf achtete, der Fährte aus Fußabdrücken nicht zu nahe zu kommen. Dann blieb er vor dem leeren Stellplatz stehen.
    »Lassen Sie die Parkuhr leeren«, rief er. »Untersuchen Sie alle Münzen auf Fingerabdrücke.«
    »Wozu?«, fragte der Cheftechniker. »Glauben Sie, dass der Kerl bezahlt hat?«
    »Ich will nur keine Möglichkeit auslassen.«
    »Man müsste verrückt sein, um einen Quarter einzuwerfen, bevor man fünf Leute wegbläst.«
    »Man bläst keine fünf Leute weg, außer man ist verrückt.«
    Der Spurensicherer zuckte mit den Schultern. Die Parkuhr leeren? Aber das gehörte vermutlich zu den scharfsinnigen Ideen, für die Kriminalbeamte ihr Gehalt bekamen; deshalb telefonierte er einfach mit seinem Handy und bat den Kerl von der Stadt, noch mal ins Parkhaus zu kommen.
     
    Bei diesem Stand der Ermittlungen mischte sich unweigerlich die Staatsanwaltschaft ein, weil die Verantwortung für die Anklageerhebung allein auf den Schultern des Staatsanwalts lastete. Es war nicht die Polizei, die vor Gericht siegte oder verlor. Es war der Staatsanwalt. Deshalb bewertete die Staatsanwaltschaft das Beweismaterial selbstständig. Reichte es für eine Anklageerhebung aus? Waren die Beweise dünn oder überzeugend? Das Ganze glich einem Vorsprechen im Theater. Einer Verhandlung vor der Hauptverhandlung. Wegen der Bedeutung des Falles trat Emerson vor dem Staatsanwalt selbst auf. Vor dem großen Zampano, dem einen Kerl, der sich tatsächlich zur Wahl stellen musste. Und zur Wiederwahl.
    Sie kamen zu einer Dreierbesprechung in Emersons Dienstzimmer zusammen. Emerson, der oberste Spurensicherer und der Staatsanwalt. Der Staatsanwalt hieß Rodin, die verkürzte Form eines russischen Namens, der viel länger gewesen sein musste, bevor seine Urgroßeltern nach Amerika gekommen waren. Er war fünfzig Jahre alt, sportlich schlank und sehr vorsichtig. Dass seine Behörde in überdurchschnittlich vielen Fällen vor Gericht siegte, war hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass er nur Anklage erhob, wenn er sich seiner Sache hundertprozentig sicher war. Waren es weniger als hundert Prozent, gab er vorzeitig auf und schob der Polizei die Schuld in die Schuhe. Zumindest war das Emersons Eindruck.
    »Ich brauche echt gute Nachrichten«, sagte Rodin. »Die ganze Stadt ist kurz davor auszuflippen.«
    »Wir wissen genau, wie’s abgelaufen ist«, erklärte Emerson. »Wir können jeden Schritt
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