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Ivy - Steinerne Wächter (German Edition)

Ivy - Steinerne Wächter (German Edition)

Titel: Ivy - Steinerne Wächter (German Edition)
Autoren: Sarah Beth Durst
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keineswegs beruhigend.
    Plötzlich verkündete er wie ein Conférencier: »Das hier ist meine Enkeltochter Lily!« Er krähte beinahe vor Stolz. »Sie ist bereit für den Test!«
    Test?
    Was für ein Test?
    Niemand hatte was von einem Test erwähnt. Sie hatte keinem Test zugestimmt.
    Peng! Lily fuhr zusammen. Der Mann am Fenster hatte sein Buch zugeklappt und eine aufrechte Haltung angenommen. Er lächelte ihr zu, nicht mal unfreundlich. »Ausgezeichnet. Willkommen, Lily. Bist du bereit, dich deinem Schicksal zu stellen?«
    »Welch eine Vermessenheit«, sagte die korpulente Dame in dem Ohrensessel und stieß ihren Gehstock mit Elfenbeinknauf auf den Fußboden, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. Doch der rubinrote Orientteppich verschluckte das Geräusch.
    Lily öffnete den Mund, um sich zu verteidigen – wie konnte sie vermessen sein, wenn sie noch nicht mal die leiseste Ahnung hatte, wovon diese Leute überhaupt redeten? Doch bevor sie etwas sagen konnte, legte ihr Großvater die Hände auf ihre Schultern. »Sie ist dafür geboren.«
    Die Frau schniefte abfällig. »Das wird sich schon bald herausstellen.«
    Es könnte eine Art Aufnahmegespräch sein, dachte Lily, und ihr Herz schlug schneller. Falls Grandpa ein Interview mit Ehemaligen arrangiert hatte, hätte er sie vorwarnen müssen. Er wusste doch ganz genau, wie wichtig ihr Princeton war! Falls das hier irgendwas mit der Zulassung zur Universität zu tun hatte …
    »Um Himmels willen, Joseph«, sagte der Mann mit dem Buch. »Jetzt spann das Kind doch nicht so lange auf die Folter. Sonst verliert sie noch die Nerven und pinkelt uns auf den Teppich.«
    Lily spürte, wie sie rot wurde. So nervös war sie nun auch wieder nicht.
    Sollte sie es sein?
    Im Ernst, diese Leute konnten einen Felsen aus der Ruhe bringen. Sie starrten sie an, als wären sie ein Rudel Löwen und Lily eine fette Gazelle. Hört auf, mich so anzustarren!, hätte sie am liebsten geschrien. Doch plötzlich, bevor sie mit irgendetwas Unbesonnenem herausplatzen konnte, das sie möglicherweise bereuen würde, richteten sich alle Augen auf Mr Mayfair.
    Der hatte eine Ehrfurcht gebietende Haltung angenommen, und Lily verstand plötzlich, was der Ausdruck »Präsenz« bedeutete. Dieser Mann hatte Präsenz. Es war unmöglich, ihn nicht anzusehen. Es fühlte sich an, als hätte sich der gesamte Sauerstoff im Raum um ihn herum zusammengezogen. »Lily Carter, du bist hier, weil dein Großvater, Richard Carter, dich für den Legacy Test vorgeschlagen hat.«
    Nicht ohne Mühe wandte sie ihren Blick von Mr Mayfair ab und sah zu ihrem Großvater, auf dessen Gesicht immer noch dieses wissende, triumphierende Lächeln lag.
    »Zuerst müssen wir dich bitten, mit niemandem außerhalb dieses Raumes über den Test zu sprechen«, fuhr Mr Mayfair fort. Lily musste an ihre Mutter denken und wünschte, sie könnte den Klang des Pianos noch hören.
    Der Mann mit dem Buch ergriff das Wort. »Es ist kein Befehl, auf dessen Verletzung die Todesstrafe stünde. Wir würden es jedoch vorziehen, wenn die Medien keinen Wind von unserer kleinen Tradition bekämen. Sie würden es missverstehen. Willentlich missverstehen, wenn ich das hinzufügen darf.«
    Alle im Raum nickten so ernst, dass Lily dachte, sie hätte sich vielleicht verhört, und auf die Verletzung des Befehls stünde doch die Todesstrafe. Hier und jetzt, in diesem Raum, könnte man es glatt glauben. Sie fühlte sich, als wäre sie von Mitgliedern eines Königshauses umgeben. Diese Menschen strahlten so viel Selbstvertrauen aus! Jeder von ihnen konnte mit Sicherheit einen ganzen Raum allein mit seiner Präsenz füllen, wenn er oder sie sich dazu entschließen sollte. In ihrer Gegenwart wurde die Luft zum Schneiden dick.
    »Gibst du uns dein Wort, dass du niemandem etwas vom Inhalt dieses Gesprächs erzählst?«, fragte Mr Mayfair eindringlich. Und dann fügte er mit derselben sanften und freundlichen Stimme, die er vorhin gegenüber Lilys Mutter benutzt hatte, hinzu: »Mit Ausnahme deiner Familie natürlich.«
    Sie traute sich nicht, etwas anderes zu tun, als stumm zu nicken.
    Er lächelte beifällig, und Lilys Knie begannen zu zittern. Sie wusste nicht, warum ihr seine Zustimmung so wichtig war, doch als er lächelte, spülte eine Welle der Erleichterung über sie hinweg. »Der Legacy Test wird nur den wenigen Auserwählten angeboten«, sagte Mr Mayfair. »Besteht man ihn, ist man automatisch für ein Studium an der Princeton University zugelassen.«
    Sie
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