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Italienische Novellen, Band 3

Italienische Novellen, Band 3

Titel: Italienische Novellen, Band 3
Autoren: Verschiedene Autoren
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Eremiten, und nachdem er sie alle eine Weile ihrem Staunen überlassen hatte, erzählte er ihnen, wer das gute Eremitchen sei, und unter welcher Gestalt er bei ihnen geweilt habe. Ein hochbetagter Mann, der Vater Giannis, ein junges Weib, seine Frau, und zwei Knäbchen, ihre Kinder, bildeten die ganze einfältige Familie. Alle standen da mit offenem Munde, hochgeschwungenen Brauen und ohne mit einem Augenlid zu zucken, als sie diese Erzählung vernahmen. Man hätte in diesen bäurischen Gesichtern eine Mischung von Verwunderung, Andacht und Heiterkeit und gleichzeitig von Reue und Mitleid lesen können. Sie bedachten die langen Mühsale, die der arme Esel erduldet hatte, die spärliche Nahrung von schlechtem Stroh oder noch schlechterem Heu oder den geringsten Kräutern, wie man sie als Unkraut aus dem Garten ausgerissen hatte, die man ihm in die Krippe zu werfen pflegte, und die Prügel, womit jeder von ihnen ihn zerschlagen und zerschunden hatte. Zum Ersatz dieser schlechten Behandlung bemühten sie sich nun, ihm den möglichst freundlichen Empfang zu bereiten. Sogleich wurden zwei Hühner geschlachtet, die einzigen, die sie im Stall hatten; mit ihnen und anderem, was im Hause war oder was von anderwärts besorgt wurde, wurde ein leckeres kleines Abendessen veranstaltet und erheitert durch einen würzigen Wein, den Gianni eifersüchtig in einem Fäßchen verwahrte, den er aber seinem Gaste zu Ehren heute nacht springen lassen wollte. Inmitten der Speisen und vollen Becher gab sich der von Natur heitere Eremit der Freude dermaßen hin, daß er alle auf das höchste ergötzte durch seine artigen Witze und Erzählungen von den seltsamsten und wunderlichsten Dingen von der Welt. Und obgleich er die Klugheit hatte, von Zeit zu Zeit durch erbauliche Worte die heitere Gesellschaft zum Ernste zurückzurufen, um sich als ebenso fromm und gottesfürchtig wie lustig und spaßhaft zu erweisen, konnte er doch sich nicht so weit bewachen, daß nicht mit der Zeit in Giannis Innerem ein gewisser Verdacht gegen seinen Gast auflebte, und dies geschah, weil Arsenio mit seiner Frau Cecca, die in ihrer Art etwas in die Augen Fallendes hatte, sich lieber zu unterhalten schien als mit den andern. Andererseits war auch Cecca neben ihrer Verehrung für die Mönche überhaupt auch noch von den lustigen Späßen Arsenios aufgeregt und schoß ihm feurige Blicke zu, was ihr Mann, Gott weiß wie, mehr als einmal bemerkt hatte. Deshalb konnte er sich am Ende nicht mehr halten und sprach zu dem Einsiedler: »Mein Vater, man sieht wohl, wie sehr Ihr nötig habt, Euer Fleisch zu kreuzigen. Heute abend ist es, da Ihr ihm ein wenig nachgegeben habt, wieder störrisch geworden und bringt Euch in Gefahr, wieder in Sünde zu verfallen. Wenn das frische Gedächtnis Eurer überstandenen Erniedrigung Euch so schlecht bewahrt vor den Reizen des Fleisches, so prophezeie ich Euch mit großen Bedauern, daß Ihr große Gefahr lauft, wieder Eselsgestalt anzunehmen und vielleicht in ganz kurzem. Daher rate ich Euch, morgen früh in Eure heilige Einsiedelei zurückzukehren und diese nie mehr zu verlassen, vielmehr ohne Unterbrechung Euer Fleisch selbst zu peinigen, wenn Ihr nicht wollt, daß es von andern wieder gepeinigt werde.«
    Es ist in der Tat zu verwundern, wie die Lebendigkeit mancher Leidenschaften oft imstande ist, den Verstand auch bei solchen zu schärfen, bei denen er sonst ganz trübe und stumpf ist. Gianni, über dessen Lippen nie andere Worte gekommen waren, als wie man sie von einem rohen und derben Manne erwarten konnte, stachelte das spitze Schwert der ruchlosen Eifersucht dermaßen seinen schläfrigen Sinn auf, daß er sich auf kurze Zeit aus seiner natürlichen Schlafsucht aufrütteln ließ. So kam es, daß er durch eine Art von Wunder wie ein listiger und höchst umsichtiger Mann sprach. Der Eremit merkte aus Giannis unerwarteten Worten, daß er auf seiner Hut sein und mit zuchtvollen Reden und wohlbewachten Handlungen der Abtötung des Fleisches ausweichen müsse, wie er denn fortan den ganzen Rest des Abends tat.
    Am folgenden Morgen nahm er nach einem kleinen Frühstück Abschied, kehrte in die Einsiedelei zurück und sagte zu dem ehrwürdigen Alten, daß dem braven Manne, der ihn heute nacht aufgenommen habe, hernach noch die Eingebung geworden sei, ihnen das Eselchen zu schenken, das er gestern Teodelindo geliehen habe. Der ehrliche Einsiedel pries die Handlung der Christenliebe von Seiten des frommen Landmanns; weil es den Leuten aber
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