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Ist Schon in Ordnung

Ist Schon in Ordnung

Titel: Ist Schon in Ordnung
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oben im Wald. Ich verstehe das nicht, ich verstehe gar nichts mehr.«
    Ich saß ganz still und wartete ab. Diesen Teil der Geschichte hatte ich ihr nie erzählt, nur den Teil mit dem Akkordeon und woher es war, und auch Kari hatte dichtgehalten. Ich hatte nicht vor, jetzt mit der Geschichte anzukommen, aber sie tat mir in diesem Moment leid. Sie fuhr sich mit klebrigen Fingern durch die Haare und verteilte in dem hellen Pony Pfeffer und braunes Fett.
    »Du schmierst dir Schweinebraten in die Haare«, sagte ich, aber sie hörte mich nicht, fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und hinterließ Streifen auf der Wange. Es sah aus wie Kriegsbemalung.
    »Ich muss ins Krankenhaus, um ihn zu identifizieren. Ich könnte auch bis nach Weihnachten warten, aber ich mache es lieber gleich, dann habe ich es hinter mir. Und dann muss das Begräbnis organisiert werden und alles Drumherum. Keine Ahnung. Und du kommst mit, Audun.«
    »Auf keinen Fall«, sagte ich. Da sah sie mich auf diese neue Art an. Es war unangenehm. Ich stand auf, Jack London rutschte die Treppe hinunter, das stattliche Schwarzweiß-Porträt knallte gegen das Geländer. Das Buch gehörte Arvids Vater, bei ihnen gingen die Bücher niemals aus, und ich bückte mich, um den Umschlag zu retten, und als ich mich wieder aufrichtete, sah ich, wie wütend sie war.
    »Du kommst mit!«, sagte sie. »Es ist schließlich dein Vater!«
    »Ich habe keinen Vater«, murmelte ich und meinte es ernst, aber da stürzte sie sich auf mich, unerbittlich, undschob mich mehrere Stufen die Treppe hinauf, packte mich am Schopf und sah mir in die Augen.
    »Jetzt haben wir beide Schweinebraten in den Haaren«, versuchte ich es mit einem Scherz, aber auf diesem Ohr war sie heute taub.
    »Das hier mache ich nicht allein, Audun. Du bist jetzt achtzehn und erwachsen, und du hast schon Schlimmeres erlebt. Wenn ich das kann, kannst du es auch.«
    Darauf wusste ich nichts zu sagen, denn es war die Wahrheit.
    »Na gut«, sagte ich, »dann komme ich mit. Ich kann Arvid anrufen und fragen, ob sein Vater uns das Auto gibt. Dann geht es schneller.«
    »Das wäre gut«, sagte sie und ließ meine Haare los.
     
    Ich rief an und erklärte die Situation. Ich begann diesen Mann zu mögen. Ich erzählte ihm alles, und er hörte ruhig zu, bis ich mit meiner Geschichte fertig war, und dann sagte er:
    »In Ordnung, Audun. Komm einfach her und hol es dir. Ich stecke den Schlüssel ins Schloss, dann kannst du gleich losfahren. Und entschuldige die Frage, aber: Was ist bei euch eigentlich los?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte ich. »Ich weiß nicht, was bei uns los ist, es ist einfach so.«
    »Tja, dann grüß deine Mutter von mir und wünsche ihr schöne Weihnachten. Ich hoffe, dass es für euch nicht allzu schlimm wird.«
    »Danke«, sagte ich.
     
    Es ist nicht weit bis zum Krankenhaus Aker. Wir brauchten zehn Minuten auf einem völlig ruhigen Trondhjemsvei,und natürlich war er es. Ich hatte nicht daran gezweifelt. Ob es meiner Mutter anders ergangen war, weiß ich nicht, aber wir standen vor der Bahre und betrachteten das weiße Gesicht und hatten es eigentlich seit fünf Jahren nicht mehr gesehen. Wir weinten nicht, keiner von uns, und ich weiß auch nicht, warum wir hätten weinen sollen. Meine Mutter nickte dem Mann zu, der dort im weißen Kittel stand, und sagte, ja, das ist Tormod Sletten, und dann ging sie ganz nah an meinen Vater heran und strich ihm über den Kopf.
    »Du warst ein fescher Kerl, das warst du. Das kann dir keiner absprechen«, sagte sie und drehte sich zu mir um. »Du siehst ihm allmählich ein bisschen ähnlich, Audun, aber du hast nun mal meine Haare geerbt. Das kannst du nicht leugnen.« Sie lächelte und strich mir ebenfalls über die Haare und die Wange, und plötzlich wurde die Situation sehr schwierig. Zum Glück begann sie mit dem Weißkittel über das Begräbnis zu sprechen, er sollte es drei Tage nach Weihnachten ansetzen, und ich ging zur Wand und lehnte mich dagegen und sah zu der Bahre, die mitten auf dem gefliesten Boden stand. Er hatte sich verändert, die Haare waren fast grau, an manchen Stellen weiß, sein Gesicht war weiß und glatt, sogar die Furchen auf den Wangen waren schwächer. Vielleicht haben sie etwas mit ihm gemacht, dachte ich und fuhr mir vorsichtig mit der Hand über das eigene Gesicht.
    Als wir gingen, wurde uns eine Tüte mit seinen Sachen ausgehändigt. »Die Pistole mussten wir beschlagnahmen«, sagte der Arzt, »wir haben nachgeschaut und konnten
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