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Ist Schon in Ordnung

Ist Schon in Ordnung

Titel: Ist Schon in Ordnung
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keinen Waffenschein finden.«
    »Völlig in Ordnung«, sagte meine Mutter. Sie gab mir die Tüte, und wir liefen durch die Korridore. Unsere Schritte hallten die ganze Zeit von den Wänden wider, undalle Lampen waren weihnachtlich geschmückt in Rot und Grün, und an der Tür nach draußen hing ein riesiger Kranz mit einem Glöckchen. Nachdem ich mich ans Steuer gesetzt hatte, machte ich die Tüte auf und sah hinein. Es war nicht viel darin, sein Messer, ein paar Schlüssel, die er aufgehoben hatte, zwei Fünfzig-Kronen-Scheine und ein kleines Schwarzweißfoto. Ich nahm es heraus und sah, dass es das Foto einer Frau war, die ich nicht kannte. Sie hatte kurze schwarze Haare und saß auf einem Stein an einem See, vielleicht war es der Aurtjern, ich meinte, die Bucht zu kennen. Marianne stand auf der Rückseite in seiner schlampigen Schrift. Ich blieb sitzen und betrachtete den Namen, und dann kam ich ganz von selbst darauf.
    »Marana«, sagte ich.
    Meine Mutter beugte sich über die Handbremse und betrachtete das Bild.
    »Nein so was, das ist ja Marianne Røkken«, sagte sie. »Sie ging auf der Realschule in meine Klasse. Wir waren ein paar Jahre lang Freundinnen. Sie war ebenfalls in deinen Vater verliebt. Ich weiß noch genau, wie dieses Foto entstanden ist, ich habe es selbst aufgenommen. Dass er es mit sich herumgetragen hat. Was für ein Kerl!« Sie schüttelte den Kopf, und ich betrachtete das Foto etwas näher und begriff, dass es an den Kleidern lag, weshalb ich sie für viel älter gehalten hatte. Vermutlich war sie nicht älter, als ich jetzt bin. Und ich begriff, dass es Dinge im Leben meiner Mutter und meines Vater gab, die ich nie erfahren würde.
     
    Es wurde ein merkwürdiger Heiligabend. Als wir vom Krankenhaus nach Hause kamen, stand Kari in der Küche und unterhielt sich mit Roberto. Er war vorbeigekommen mit Geschenken und albernen Witzen, sang Arien mitKopfstimme und gab eine Version von Jerusalem zum Besten, wie ich sie schrecklicher noch nicht gehört habe. Er machte mehr Krach als wir vier zusammen. Ich zog Kari beiseite und erklärte ihr, was vorgefallen war, und wir verständigten uns darauf, nicht zu erzählen, was wir seit drei Monaten wussten. Es war auch so schon genug.
    Schließlich kam der Braten in den Ofen. Der Geruch zog langsam vom Erdgeschoss in den ersten Stock und vermischte sich mit Sauerkraut und verbranntem Stearin, und er, der tot war, wurde nicht mehr erwähnt. Um drei Uhr sah ich Disneys Weihnachtsprogramm, wie jedes Jahr.
    Letztes Jahr hatten wir nur zu zweit an diesem Tisch gesessen, und ich kann nicht leugnen, dass ich das langweilig fand. Jetzt waren alle Stühle besetzt. Kari war da mit der Kleinen, Alf war gekommen, um an Heiligabend bei seiner Tochter zu sein, er hatte massenhaft Geschenke mit, ohne dass es jemanden beeindruckte, und Olav, der neue Freund meiner Mutter, klingelte Punkt fünf Uhr an der Tür. Er hatte volle Tragetüten dabei und war sichtlich nervös. Ich holte tief Luft und gab ihm die Hand. Das half ein bisschen. Er begann sich zu entspannen, und meine Mutter lachte leicht hysterisch und umarmte mich zur Belohnung. Er war nicht unbedingt mein Typ, ziemlich rund, vorne wie hinten, und auf dem Kopf fast keine Haare mehr, aber seine Oberarme wölbten sich unter dem Hemd, und er sah pfiffig aus, wenn er lächelte. Ich fragte ihn, ob er Bücher liest, und er antwortete, von Mikkjel Fønhus sei er begeistert. Das war für mich in Ordnung, ich hatte selbst ein paar Bücher von ihm gelesen, sie waren nicht schlecht. Olav arbeitete als Drucker bei Aas og Wahl , und nach ein paar Aquavit reichte dies aus, dass wir uns etwas zu erzählen hatten. Doch als ich dasaß und sah, wie meine Mutter um den Tisch schwänzelte,verschwitzt und lächelnd, wie ich sie nie zuvor gesehen hatte, wusste ich, dass nur für einen von uns hier Platz war. In dem Moment beschloss ich, beim alten Abrahamsen vorbeizuschauen, sobald diese Feiertage vorbei waren. Er hatte ein Zimmer frei und konnte das Geld bestimmt gebrauchen.
     
    Und dann ist der dritte Tag nach Weihnachten da. Auf dem Friedhof von Grorud hat der Totengräber in zwei Tagen den Permafrost in der Erde aufgetaut. Ich stehe in aller Herrgottsfrühe auf, setze mich hin und lese Die letzten Apachen von Helge Ingstad. Ich habe das Buch von Arvid zu Weihnachten bekommen. Es ist eine edle gebundene Ausgabe aus der Reisebibliothek von Gyldendal, die er in einem Antiquariat aufgestöbert hat, und auf der Innenseite befinden sich
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