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Isis

Isis

Titel: Isis
Autoren: Brigitte Riebe
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Stimme war zum Verwechseln ähnlich! Jetzt zitterte sie leicht, was sie plötzlich verletzbar aussehen ließ. Ich spürte fast körperlich, wie sehr sie sich anstrengen musste, um die Fassung nicht zu verlieren, und empfand einen Anflug von Mitgefühl.
    »Wirst du mir helfen? Du musst!«
    Ein Befehl, keine Bitte. So hatte auch Isis geklungen, als sie von mir den größten Liebesbeweis forderte. Wie damals schnürte mir Entsetzen die Kehle zu, als ich die gefürchteten Worte vernahm, und mir war, als würde mir der Boden unter den Füßen weggerissen. Eine jähe Welle schoss durch meinen Körper, als sei der glühende Ball in meinem Inneren explodiert. Ich schwankte, tastete vergeblich nach einem Halt und sah gerade noch, wie Maram die Arme ausstreckte, um mich zu stützen.
    Dann fiel ich ihr bewusstlos zu Füßen.
     
    oooo
     
    Lehnte sich mein Körper gegen meine Seele auf, oder war es umgekehrt? Was ich hörte, bevor fiebriges Dämmern mich erneut umfing, waren Stimmen aus der Vergangenheit, die sich zögernd im Dunkel des Zimmers verloren. Die Krankheit bewegte sich wie ein gefangenes Tier in mir, verursachte Schweißausbrüche, Übelkeit, Schüttelfrost. Das Feuer in meinem Magen brannte. Manchmal glaubte ich förmlich zu sehen, wie es mich von innen unaufhaltsam zerfraß.
    Unfähig aufzustehen, wurde ich zunächst von Maram versorgt, die mir Wasser einflößte und dünnen Tee, aus der Wurzel des Granatapfelbaumes, mit einer Prise Natronsalz versetzt. Als ich nach drei Tagen noch immer keine feste Nahrung zu mir nehmen konnte, holte sie trotz meines Protestes den Vorlesepriester an mein Krankenlager.
    Djedi stellte ein Figürchen der löwenköpfigen Sachmet neben mich, um die Schlange in meinem Bauch zu töten, die er nicht zum ersten Mal als Ursache der Erkrankung vermutete.
    Nachdem er mich eine Weile eingehend betrachtet hatte, wiegte er bedenklich den Kopf. Ich ahnte trotz meiner Schwäche, dass er als Nächstes Maram hinausschicken würde, und tatsächlich befahl er ihr, uns allein zu lassen.
    »Sie bleibt.« Ich versuchte mühsam, mich aufzurichten.
    »Und keinerlei Untersuchungen!«
    »Wie soll ich dir dann helfen?« Nicht einen Moment ließ er mich aus den Augen. »Du musst dich schon fügen, wenn du wieder gesund werden willst!«
    Aber an diesem Tag hatte ich offenbar gewonnen, denn er entschied sich für keine seiner widerlich schmeckenden Arzneien, sondern begnügte sich damit, einen Zauberspruch zu murmeln und heiße Hühnerbrühe zu verordnen.
    »Ich spüre die Anwesenheit eines Dämons«, sagte er, als er am nächsten Tag wiederkam und mich ein wenig lebhafter vorfand. »Als hätte man verbotenerweise eine Grabkammer geöffnet.« Ich erstarrte, versuchte aber, es nicht zu zeigen.
    »Gibt es jemanden aus jener anderen Welt, den du fürchtest?«
    »Ich habe noch niemals erlebt, dass Tote sich rächen«, erwiderte ich schnell. »Komm lieber zur Sache! Ich habe das Gefühl, dass mein Magen sich gleich nach außen stülpt.«
    »Wer weiß?«, erwiderte er. Seine dünnen Brauen zogen sich zusammen. »Manchmal reicht das Silber der Haare nicht aus, um das Herzensfeuer zu löschen. Gibt es etwas, was du loswerden möchtest, Meret? Mein Ohr ist allzeit für dich bereit. Aber das weißt du ja längst.«
    Ja, ich wusste, worauf er lauerte, ebenso wie er wusste, dass ich niemals etwas freiwillig preisgeben würde. Oder hoffte er, meine Schwäche ausnützen zu können? Dazu würde er keine Gelegenheit erhalten! Er widerte mich an mit seinem wabbeligen Bauch und dem feisten, neugierigen Gesicht, das mir viel zu nah kam. Ein schwerer Duft stieg mir in die Nase, Djedi musste förmlich in Moschusöl gebadet haben. Außerdem hasste ich seine ölige Ausdrucksweise - und das war nicht alles, was ich hasste.
    Trotz meines Verbots griff er nach meinem Arm, um den Puls zu fühlen. Die Berührung war mehr, als ich ertragen konnte.
    Jetzt besaß ich keine Macht mehr über das Fieber, das jäh anstieg, mich eine heiße Woge wegspülte und mir Bilder zutrug, Fetzen von Gesichtern und Stimmen, Gerüche, die ich längst schon vergessen geglaubt hatte ...
    Es ist wieder Sommer, und es ist sehr heiß. Ich bin ein zu schnell gewachsenes Kind, das nachts nicht mehr schlafen kann und tausend Fragen hat, auf die es keine Antworten gibt.
    Wer bin ich? Woher komme ich?
    Mein Grübeln findet kein Ende.
    Langsam gehe ich hinunter zum Fluss, wie immer allein, weil Ruza mir eingeschärft hat, mich niemals nackt vor anderen zu zeigen. Ich
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