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Isis

Isis

Titel: Isis
Autoren: Brigitte Riebe
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wir! Aber hier, unter all den Leuten, kann er ihm ja kaum etwas antun.«
    Trinksprüche machten die Runde, als plötzlich Basa mitten unter den Festgästen in des toten Nezems Haus stand.
    »Vater!« Anu sprang auf und lief zu ihm. »Dass du doch noch gekommen bist!«
    »Wo ist Khay?« Basa schien ihn gar nicht zu hören.
    »Khay?« Anus Augen verdunkelten sich. »Ich glaube, er hatte zu tun«, sagte er. »Jedenfalls ist er bisher nicht gekommen.«
    »Wo ist dein Bruder?« Basa packte Anu an den Schultern und schüttelte ihn. »Es ist wichtig. Ich muss es wissen!«
    »Khay ist hier nicht«, kam Isis ihrem Mann zu Hilfe. »Und ich bin alles andere als traurig darüber.« Sie funkelte Basa furchtlos an.
    »Die Augen der Fischdämonin«, sagte er. »Das gleiche unergründliche Grün!«
    »Falls du damit Selene meinst ...« Es fiel Isis schwer, ihm gegenüber freundlich zu bleiben. Aber heute war ihr Hochzeitstag, und was immer Basa ihrer Mutter auch angetan haben mochte, er war und blieb Anus Vater. »Nimm dir einen Becher und trink mit uns!«, forderte sie ihn auf. »Du hast heute eine sehr glückliche Tochter bekommen.«
    »Tochter?«, wiederholte Basa. »Ich habe keine Tochter!« Er wandte sich um und ging einfach davon.
    »Und das ist mein Vater?«, fragte Meret leise. Sie wartete auf die Bilder, aber alles blieb dunkel. »Ich habe nicht eine Erinnerung mehr an ihn.«
    »Du warst noch sehr klein damals«, sagte Isis.
    »Vielleicht hätte ich ihm den Reifen zeigen sollen, Sarits Schmuck. Ob er ihn wieder erkannt hätte? Ob er mich erkannt hätte?«
    »Du gehst später zu seinem Haus«, sagte Isis. »Dann kann er dir nicht mehr entkommen.«
    Sie feierten weiter, bis ein Bote an der Festtafel erschien.
    »Eine Nachricht von Nesptah«, sagte Anu, als er die Zeilen überflogen hatte. »Ich muss sofort zu ihm.«
    »Heute?«, sagte Isis. »Ausgerechnet heute?«
    »Es scheint sehr wichtig zu sein, sonst hätte er mich bestimmt nicht gestört. Nesptah weiß, welch besonderer Tag für uns das ist. Ich bin schnell wieder zurück, mein Herz, das verspreche ich dir.« Anu küsste sie zärtlich. »Vergiss mich einstweilen nicht!«, sagte er scherzhaft.
     
    oooo
     
    Er hörte das Keuchen erst, als Khay schon dicht hinter ihm war.
    »Was machst du hier?«, fragte er unbefangen. »Und wieso bist du nicht auf unserer Hochzeit?«
    »Du hast sie tatsächlich geheiratet?«
    »Ja«, sagte Anu. »Mein größter Traum. Heute hat er sich endlich erfüllt.«
    »Warum hat sie dich genommen — und nicht mich?« Khay gab ein seltsames Jaulen von sich. »Aber du wirst sie nicht behalten, Bruder. Wenn ich sie nicht haben darf, dann du auch nicht!«
    »W-w-was meinst du damit, Khay?« Anu wurde es langsam unbehaglich. Um möglichst schnell zu Nesptah zu kommen, hatte er eine Abkürzung genommen. Jetzt standen sie beide in einer verlassenen Gasse, die wenig Anheimelndes hatte.
    »Außerdem muss ich weiter. Nesptah erwartet mich.«
    »Da irrst du dich, Kleiner. Die Botschaft stammt von mir. Ich hatte Sehnsucht nach dir. Ich wollte mit dir noch einmal allein sein — zum letzten Mal.«
    »Khay!« Anu wich langsam zurück. Hinter ihm stand ein Schuppen, in dem Fische geräuchert wurden. Plötzlich brachte ihn der bittere Geruch nach Rauch fast zum Würgen. »Khay, komm zur Vernunft! D-d-du wirst doch nicht .«
    »D-d-doch, ich werde!« Khay sah den Schmerz in den Augen seines Bruders, als er ihn nachäffte, aber das trieb ihn nur an, weiter zu machen, schnell weiter zu machen, damit er es endlich hinter sich hatte. »Ich kann sie dir nicht lassen. Und da du auf ihr beharrst, muss ich dich leider aus dem Weg räumen.«
    »Du willst mich töten?« Anu starrte ihn fassungslos an.
    Khay stieß ein wildes Gelächter aus. »Du glaubst es nicht! Ich habe es Meret gleich gesagt, dass du es nicht glauben würdest. Aber es ist wahr, kleiner Bruder!« In seiner Hand blitzte plötzlich ein Messer auf. »Komm schon, Anu, tu mir den Gefallen und lauf wenigstens davon! Dann kann ich dich zumindest von hinten abstechen.«
    Anu blieb ganz ruhig. »Du kannst es nicht«, sagte er schließlich. »Mach dir nichts vor, Khay, du bringst es nicht über dich!«
    Khay stand da wie angewurzelt.
    »Ich weiß, du kannst es nicht«, wiederholte Anu und streckte die Hand nach ihm aus. »Und jetzt lass uns endlich diesen fürchterlichen Ort hier verlassen!«
    »Und ob ich es kann!« Khay machte einen Schritt auf ihn zu, holte aus und rammte ihm das Messer in die Brust. Ohne jede
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