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Isenhart

Isenhart

Titel: Isenhart
Autoren: Holger Karsten Schmidt
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sich nur zu genau erinnerte. »Gott will es« brachte den Vorteil mit sich, dass niemand, der nicht öffentlich zu brennen gedachte, widersprach.
    »Der kleine Bastard war tot«, stellte Sigimund von Laurin fest, »wie kommt es, dass er die Luft atmet, die wir auch atmen? Wie kommt es, dass sein Herz schlägt? Er könnte ein Vorbote des Antichristen sein.«
    Walther von Ascisberg bekreuzigte sich eilig.
    Sigimund von Laurin lächelte, weil es ihm gelungen war, den Freund zu dieser Geste zu provozieren. Aber seine Belustigung war nicht frei von Unbehagen. Dem Unbehagen, seinen Worten könnte etwas Wahres anhaften.
    Unten im Hof jammerte ein Kind. Von Laurin erkannte die Frau des Schmieds. Ihr Name war Ida, sie trug ihren einjährigen Sohn mit sich herum.
    »Der Pinkepank soll ihn aufziehen. Sein Weib kann ihn stillen.«
    Walther von Ascisberg hatte keinen Zweifel gehabt, wie sich sein Freund entscheiden würde. Er erkundigte sich nach dessen Familie und erfuhr, dass Schelm, der Älteste, zu seinem Herrn gerufen worden war.
    »Ein Unfall?«
    Von Laurin schüttelte den Kopf: »Gemeiner Sterb.«
    Grippen und Seuchen rafften die sehr Jungen und die Alten regelmäßig dahin. Es war die gängigste Todesursache.
    Der neue Stammhalter hieß Konrad, erfuhr Walther von Ascisberg, er war ein Jahr alt und konnte schon laufen. Kinder kamen und gingen, kaum hatte man sich ihre Namen eingeprägt, hatten sie den Löffel an den Nächstälteren abgegeben. Wer das zehnte Lebensjahr vollendete, so hatte Walther von Ascisberg in seinen Aufzeichnungen festgehalten, war gegen den Gemeinen Sterb gut gewappnet. Vielleicht lag es daran, dass in diesem Alter, in dem sie alle langsam flügge wurden, die vier Lebenssäfte miteinander in Einklang gerieten. Das, so rief er sich ins Gedächtnis, galt es noch zu erforschen.
    Und obwohl Sigimund von Laurin schon Kinder verloren und gelernt hatte, sein Herz nicht allzu sehr an sie zu binden, um im Fall ihres Todes nicht wochenlang aus der Bahn geworfen zu werden – immerhin oblag ihm die Verantwortung für Haus, Hof und Gesinde, eine Pflicht, die keine Pause duldete –, hörte Walther von Ascisberg Zuneigung in der Stimme des Freundes, als er von seinem Sohn Konrad sprach.
    »Wann haben wir uns das letzte Mal gesehen? Bei der Sonnenwendfeier vorletztes Jahr?«, fragte von Laurin. In seinen Worten schwang keinerlei Bitterkeit mit, nur Bedauern.
    Walther nickte. »Ich habe deine Gesellschaft auch vermisst«, antwortete er.
    »Wo warst du?«
    »Hier und da. Und Sydal auf den Fersen.«
    Es war beschwerlich gewesen, aber das brachte das Reisen stets mit sich. Er erzählte von seiner Reise nach Iberien, genauer gesagt nach Toledo. Eine einzige Strapaze. Sydal hatte es dorthin verschlagen gehabt, den Grund dafür ahnte Walther, und als er Nachforschungen anstellte, stieß er auf Ablehnung und offene Bedrohung. Auf dem Rückweg hatte ihn in den Pyrenäen, wie er Sigimund berichtete, die Nachricht erreicht, dass ein gewisser Saladin Sultan von Ägypten geworden sei.
    »Die Herrscher der Muselmanen kommen und gehen«, lautete Sigimunds Kommentar.
    »Er hat eine Vielzahl der arabischen Stämme hinter sich geeint«, erwiderte von Ascisberg.
    »Das ist allerdings eine Leistung«, gab der Burgherr zu, »vielleicht gelingt es ihm ja, ein paar Monate zu überleben, ohne vergiftet zu werden.«
    Sie schwiegen einen Moment, ihre bevorzugte Disziplin. Es war ein Leichtes, jemanden zum Reden zu finden, aber ein Glücksfall, auf jemanden zu treffen, mit dem man beredt schweigen konnte. Sie hatten sich nie über diesen Umstand ausgetauscht und sollten das auch bis an ihr Lebensende versäumen. Aber unausgesprochen fühlten sie die Wertschätzung dieser Seelenverwandtschaft beim anderen.
    »Ich möchte, dass er lesen und schreiben lernt«, sagte Walther von Ascisberg unvermittelt.
    »Er muss nicht lesen können, um ein Feld zu bestellen.«
    »Trotzdem.«
    »Wozu? Ich kann selbst keines von beidem.«
    »Und Konrad auch.«
    Ihre Blicke begegneten sich. Sigimund von Laurin war nicht verärgert, nur irritiert.
    »Konrad soll kein Mönch werden. Er soll das Wort führen und das Schwert.«
    »Meinst du, lesen und schreiben wäre für ihn von Nachteil?«
    »Es wäre Zeitverschwendung.«
    »Die Zeit, die du den beiden für das Lesen und das Schreiben gibst, wird dir hundertfach vergolten werden, glaub mir.«
    Sigimund von Laurin konnte das nicht glauben. Etwas hundertfach vergelten … »Wie soll das gehen?«
    In Walther von
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