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Isau, Ralf

Isau, Ralf

Titel: Isau, Ralf
Autoren: Gerry
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Glühen schlecht beschreiben. Eben unheimlich war's. Ja, das trifft's, glaube ich, am besten.«
    »Du hast beim Putzen zu viel Salmiak eingeatmet«, brummte Herr Holle.
    »Und er ist da hinter der Backsteinmauer verschwunden?«, vergewisserte sich Karl, während er zur Einmündung deutete.
    »Spreche ich so undeutlich, junger Mann?«
    »Nein. Bitte entschuldigen Sie mich.« Karl ließ die beiden stehen und lief wie in Trance über die Straße. Es war der Zorn, der ihn dazu trieb. Wie konnte jemand so etwas wagen? Sein Geschäft zu überfallen, seine Bücher anzuzünden ... Nun, noch waren sie nicht sein Eigentum, aber Herr Trutz hatte das Antiquariat seiner Obhut anvertraut. Karl schäumte. Wenn er jemals in seinem Leben etwas richtig machen wollte, dann musste er allmählich damit anfangen.
    Er war außer sich. Hätte er nur einen Moment über sein Handeln nachgedacht, wäre er in den Laden zurückgelaufen, hätte die Polizei gerufen und sich bis zu deren Eintreffen hinter Bücherstapeln verschanzt. Das war nicht der Karl Konrad Koreander, den er kannte, aber an diesem Abend hatte er sich schon auf so viele Unmöglichkeiten eingelassen, dass ihm seine forsche Reaktion als die natürlichste von der Welt erschien.
    Als er um die Straßenecke bog, kamen ihm erste Zweifel. Die Querstraße lag verlassen vor ihm. Das Licht der wenigen Laternen wurde vom Geäst kahler Bäume gedämpft. Gegenüber der Backsteinmauer befand sich ein langes, unbebautes Grundstück, auf dem Unkraut wucherte. Keine Menschenseele war zu sehen. Karl begann zu frieren – sein Mantel lag immer noch über dem Tresen im Laden. Sollte er umkehren?
    In diesem Moment sah er vor sich einen Schatten. Hinter einem Baum, vielleicht dreißig Meter entfernt, glommen zwei grüne Punkte. Das musste der Täter sein, den Frau Holle gesehen haben wollte. Wie kann ein Mensch solche Augen haben? Karl schauderte. Und wieso treibt er sich noch hier herum? Er hatte genügend Bücher über geistesgestörte Brandstifter gelesen, die sich an den von ihnen gelegten Feuern weideten. Das musste so ein Kerl sein.
    Karl packte die Wut. »Stehen bleiben!«
    Sein Ruf zeigte Wirkung. Er sah einen Schemen hinter dem Baum hervor und auf die Straße huschen. Wen immer da das schlechte Gewissen zur Flucht trieb, er wollte offenbar unerkannt bleiben. Geschickt nutzte er die Schatten, um nicht mehr als nötig von sich preiszugeben. Er hatte einen auffallend hohen Wuchs und breite Schultern, zweifellos ein Mann, dachte Karl und spürte sein altes Leiden in den Gliedern, Sie wurden bleischwer und wollten ihm nur träge gehorchen. Die Angst kehrte zurück.
    Einige Sekunden lang hielt er sich selbst hinter einem Baum versteckt und verfolgte den Flüchtigen nur mit Blicken. Grünauge bog links um die nächste Straßenecke, folgte also der Grenze des ummauerten Grundstücks. Endlich siegte Karls Sinn für Gerechtigkeit über seine Furcht – der Gauner musste angezeigt werden! –, und er setzte dem Brandstifter nach.
    Als er die Ecke erreichte, spähte er vorsichtig um die Mauer herum. Die Straße hier war fast ein Spiegelbild der parallel verlaufenden, in der sich das Antiquariat von Herrn Trutz befand: links die Ziegelsteinwand, rechts vierund fünfstöckige Mietshäuser aus der Zeit der Jahrhundertwende. Aus einer Eingangstür fiel Licht, ein senkrechter, heller Streifen, der schnell schmaler wurde und, begleitet von einem Klappen, schließlich ganz verschwand.
    »Bist du da eben reingelaufen, Grünauge?«, murmelte Karl und überlegte angestrengt, was er tun sollte. Ebenso gut konnte der Brandstifter weitergerannt sein und jemand anderer hatte das Haus betreten. Er könnte seine Beobachtungen der Polizei melden, fiel ihm nun ein, doch ein solcher Schuss ging nicht selten nach hinten los, weil der vermeintliche Verbrecher sein Unwesen mit Duldung oder sogar auf Geheiß staatlicher Organe trieb: Vielleicht hatte die Behörde von der geheimen Bibliothek des Thaddäus Tillmann Trutz Wind bekommen und eine Bücherverbrennung stante pede verordnet. Kart ballte vor ohnmächtiger Wut die Fäuste. Was sollte er tun? Ohne handfeste Beweise würde er Herrn Trutz nach dessen Rückkehr nur den Schaden präsentieren können, aber keinen Täter.
    Mit wachsweichen Knien schlich er über die Straße, hin zu dem Haus, in das der Brandstifter möglicherweise geflohen war. Zaghaft drückte er die schwere, dunkle Holztür auf. Im Haus brannte noch immer Licht. Hielt sich der Kerl hier irgendwo versteckt?
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