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Isau, Ralf

Isau, Ralf

Titel: Isau, Ralf
Autoren: Gerry
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Kopf. Was war da passiert? Hatte der wacklige Witwer mit seinem Gehstock irgendetwas zerschlagen? Aber was? Vorn im Antiquariat war Karl nichts aufgefallen, das auch nur annähernd einen solchen Lärm verursachen konnte. Mit Ausnahme ...
    Er rannte noch schneller. Womöglich gab es eine andere Erklärung für das Scheppern. Herr Trutz hatte ihm, Karl Konrad Koreander, die Verantwortung für sein Geschäft übertragen. Selbst wenn die Vollmacht noch nicht unterschrieben war. Ihm schwante, dass da etwas Schreckliches passiert sein könnte. Er musste helfen.
    Endlich erreichte er das Kabinett. Aus dem Laden drang ein flackerndes Licht. Karl stürzte darauf zu – und verharrte gleich darauf wie angewurzelt.
    Die gläserne Eingangstür war in tausend Splitter zerborsten. Ein Stück weit im Laden lag ein – brennender Stein? Wieder beschlich Karl das Gefühl, verkehrt herum durch ein Fernrohr zu blicken. Als er jedoch genauer hinsah, wurde ihm klar, was dieses Geschoss war: Jemand hatte den Brocken mit einem Lumpen und einer Schnur umwickelt, das Ganze angezündet und durch die Glasscheibe geschleudert. Die primitive »Brandbombe« lag auf einem der verschlissenen Teppiche, aus dem bereits kleine Flammen züngelten.
    »Die Bücher!«, hauchte Karl entsetzt, und endlich fiel die Starre des ersten Schreckens von ihm ab. Er lief zu dem Feuer, kippte einen Bücherturm von der Teppichkante, fasste diese mit beiden Händen und schlug sie über das Brandgeschoss. Atemlos trat er das Feuer aus, packte das rauchende Teppichbündel und schleifte es zur Tür. Dort hob er es hoch und warf es durch den Rahmen, in dem nur noch einige Scherben steckten, auf die Straße. »Wer tut so etwas nur?«, zischte er.
    »In was für einer Zeit leben Sie eigentlich? Und wer sind Sie überhaupt?«
    Die tiefe Stimme klang ein wenig wie eine ins Rutschen geratene Geröllhalde. In seinem gerechten Zorn hatte Karl noch gar nicht bemerkt, dass aus der Haustür links neben dem Laden ein grobschlächtiger Mann mittleren Alters getreten war. Er hatte kurz geschorenes Haar, einen Stiernacken und sah ihn argwöhnisch an. Den hochgekrempelten Hemdsärmeln und dem abgeknöpften Kragen nach zu urteilen, hatte ihn der Lärm des zersplitternden Glases aus seiner Feierabendruhe aufgeschreckt.
    »Ich bin der Koreander Karl, der neue Ladengehilfe von Herrn Trutz. Mit dem Überfall habe ich nichts zu tun«, erklärte Karl, um den bulligen Mann von Kurz Schlussreaktionen abzuhalten.
    Dessen Antwort klang denn auch schon erheblich umgänglicher. »Ach, hat der Alte also endlich einen Träumer gefunden, der seinen Schwartenladen übernimmt. Mein Name ist Holle, Horst Holle. Meine Freunde nennen mich Hotte.« Der Nachbar grinste, was seine despektierliche Äußerung über Herrn Trutz und dessen Gehilfen wohl ins rechte Licht rücken sollte. Er reichte dem »Träumer« eine fleischige Hand.
    Während Karl diese noch schüttelte, kam hinter Herrn Holle eine korpulente Frau in Kittelschürze aus dem Hauseingang. Sie schleppte einen schwarzgrauen emaillierten Wassereimer, dessen Inhalt sie über den qualmenden Teppich entleerte. Erst danach wandte sie sich Karl zu. »Männer! Alles Schwätzer. Hotte quasselt den ganzen Tag, und mich lässt er die Arbeit tun.« Sie streckte Karl die Hand entgegen. »Heide.«
    »Wie bitte?«
    »Ich bin Heide Holle. Frau Holle, wenn Sie wollen. Sie wissen schon, die mit dem Schnee.« Sie zwinkerte Karl zu.
    Er schüttelte auch ihre Hand und seufzte. »Wenigstens gibt es noch hilfsbereite Nachbarn. Danke für das Wasser.«
    »Keine Ursache«, antwortete Frau Holle. »Unheimlicher Bursche, der den Laden von unserem Bücherwurm überfallen hat.«
    Karl riss die Augen auf. »Sie haben ihn gesehen?«
    »Klar. Nicht zum ersten Mal. Er schleicht schon eine ganze Weile um den Laden herum, wie ein räudiger Köter um die Wurst.«
    »Sie sagten, er sei unheimlich?«
    Frau Holle nickte und deutete zur Straßenmündung, aus der vorhin der singende braune Hundertfiißler gekommen war. »Bevor er da um die Ecke verschwunden ist, hat er sich noch einmal umgedreht, vielleicht weil ein Auto die Straße entlangfuhr. Und da habe ich seine grünen Augen leuchten gesehen.«
    In Karls Kopf drehte sich ein Karussell, das ihn schwindeln machte. An diesem Abend schien aber auch alles verkehrt zu sein. »Sind Sie sicher, dass seine Augen geleuchtet haben?«
    »Ja doch! Wie bei einer Katze. Oder bei einem Wolf. Aber irgendwie auch anders. Ich kann dieses gelblich grüne
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