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Isartod

Isartod

Titel: Isartod
Autoren: Harry Kämmerer
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Stein fiel ihm vom Herzen. Kaltes Wasser spritzte an seine Pobacken. In dem Moment klingelte es an der Tür.
    GROOVY
    Hummel atmete die feucht-scharfe Nachtluft ein und sah zu Mader hoch. Dritter Stock des garstigen Betonsilos. Nicht das erste Mal hier, aber er kann es nicht fassen. Wie kann man so wohnen? Fort Knox mit Rüschen: geraffte Vorhänge, Geraniengeschwüre an den Balkonen. Wir kriegen euch alle! Ein Wald von Satellitenschüsseln. Dieses Haus hat tausend Ohren! Hummel drehte sich um. Die Straße runter. Er kennt die Gegend. Jugendbanden, Alkohol, Drogen, Autodiebstahl, Schlägereien. Der ganze Scheiß. Hier ist München wie Frankfurt. Nicht besser, nicht schlechter. Endstation. Wer kann, zieht weg. Nur wer mit allem fertig ist, wohnt hier.
    Hummel klingelte noch mal. Warum rührte sich nichts? Er trat ein paar Schritte zurück und blickte nach oben. Licht im geeisten Klofenster. Da konnte er lange klingeln. Chef auf Schüssel.
    Hummel setzte sich ins Auto und rauchte. Prince of Denmark . Seine Marke, wegen des Namens. To smoke or not to smoke. Jeder Zug eine Manifestation existenziellen Willens. Da ist was faul im Staate Dänemark.
    Hummel drehte das Autoradio an. Soul FM. Smokey Robinson mit Tears of a Clown . Tausend Mal gehört. Kitsch und Verzweiflung, die verspielten Bläser, der wuchtige Einsatz von Bass und Schlagzeug. Hummel liebte Soul, auch Motown. Eigentlich besonders Motown. Er machte lauter und lehnte sich zurück.
    Eigentlich hätte er jetzt seit zwei Stunden frei. Wäre in seiner Stammkneipe in der Kurfürstenstraße in Schwabing. In der Blackbox , wo das echte Leben spielt. Ein paar Bier zischen, immer mal wieder einen Euro in die Jukebox und Beate hinterm Tresen mit seinen Soulkenntnissen beeindrucken: »Die späten Curtis-Mayfield-Sachen, die san echt nix, aber Miss Black America , ey, Beate, davon gibt’s eine Liveversion, kleine Band, Supergroove … Du, ich hab zu Hause jede Menge alte Platten – LP s, Singles, alles Vinyl. Stax , Motown , Chess , Atlantic , Hi , Kent … Wenn du nach der Arbeit mal bisschen chillen willst …«
    Beate!
    Sie war genau sein Typ: hochgewachsen, blondes langes Haar, forellenblaue Augen. Schönste Wirtin Münchens. Und clever. Hat Psychologie studiert und echt eine Ahnung von Leuten. Niemand verstand ihn so wie sie. Stellte er sich zumindest vor. Normalerweise beschränkte sichihre Kommunikation auf »Ein Helles, bitte« und »Hier, Hummel, dein Helles«. Aber allein wie sie »Helles« sagt. Da geht die Sonne auf!
    Smokey sang immer noch. Tears of a Clown. »Ich bin der Clown«, dachte Hummel, »ich sitz hier und warte, dass der Chef seinen Stuhlgang beendet.«
    Als Mader mit seinem Hund endlich aus dem Haus kam, war Hummel eingeschlafen. Träumte mit den Delfonics: Lalalalala means: I love youuhuu …
    Mader schlug mit der flachen Hand auf die Frontscheibe. Hummel schreckte hoch, seine Hand fuhr zum Schulterhalfter.
    »Morgen, Hummel«, grüßte Mader durchs offene Seitenfenster.
    Hummel sah Mader mit verquollenen Augen an. »Chef … Ah? ’n’ Abend.«
    »Was hören Sie da für einen Schmarrn?«
    »Ich glaub nicht, dass Sie davon was verstehn.« Genervt schaltete Hummel das Radio aus. »Ich wart schon eine ganze Weile auf Sie!«
    »Sie haben nicht gewartet, Sie haben geschlafen. Das ist ein Unterschied.«
    Mader ging um den Wagen und stieg ein. Bajazzo sprang auf seinen Schoß und stellte die Vorderpfoten aufs Armaturenbrett. Schnüffelte an dem quietschgelben Wunderbaum, der am Rückspiegel hing. Schnappte danach. Doch das Bäumchen baumelte weg.
    Sie fuhren durchs Laternengelb der menschenleeren Vorstadtstraßen.
    »Also, Hummel, eine Wasserleiche?«, fragte Mader schließlich. »Details?«
    »Weiß ich nicht. Zankl ist dort. Wasserleichen sind ja nicht so ganz mein Geschmack.«
    Mader durchforstete seine Taschen.
    Bajazzo sah sein Herrchen erwartungsvoll an. Schließlich fand Mader, was er suchte: kleine silberne Würfel. Konfekt? Er pulte die Silberfolie von einem Würfel runter und biss die Hälfte ab. Reichte Bajazzo die andere. One for me, one for you. Sie lutschten. Zwei Genießer.
    Hummel beobachtete die beiden argwöhnisch aus dem Augenwinkel.
    »Wollen Sie auch?«, fragte Mader schmatzend.
    »Ja, warum nicht.«
    Mader gab ihm einen Würfel. Hummel pulte einhändig die Folie ab, Blick immer auf die Straße. Deutete mit dem Kopf zu Bajazzo. »Muss ich nicht teilen, oder?«
    »Nein. Genießen Sie es ganz allein.«
    Klebriges Teil … Na ja.
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