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Isabelle

Isabelle

Titel: Isabelle
Autoren: Felix Thijssen
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auch für gut aussehende oder interessante Männer. Die meisten der männlichen Gäste schauten nur oberflächlich hin, und dann konnte es einen schon irritieren, wenn man manchmal ihre Triebhaftigkeit ganz deutlich spürte und man mit den Augen auszogen wurde, als sei man ein x-beliebiges Lustobjekt. Gewiss hätte keiner dieser Männer mehr als nur eine halbe Stunde darauf verwenden wollen, festzustellen, ob sich unter der Kleidung noch etwas anderes als nur Brüste und Hintern verbarg.
    Isabelle war sich nicht sicher, auf welche Weise der Mann auf der Seite mit dem Weidenblick sie angeschaut hatte, und ihr wurde bewusst, dass es sie ernsthaft interessierte. Letty trat beiseite, damit sie sich auf ihren Barhocker setzen konnte. Der Mann von Tisch zwei eilte ohne nach rechts oder links zu schauen, die Tasche fest unter den Arm geklemmt, an ihnen vorbei in Richtung Ausgang.
    »Buchhalter«, murmelte Letty. »Die Bücher gefälscht, kriegt es nie wieder hin, wird morgen standrechtlich erschossen.«
    Isabelle wachte auf. »Seine Frau tut mir Leid. Die muss es heute Abend ausbaden.«
    »Kein Trinkgeld. Man sollte doch meinen, dass das jetzt auch keine Rolle mehr spielt, ein bisschen Trinkgeld mehr oder weniger.«
    »Wie geht’s denn eigentlich mit dir und Jos?«
    Letty schüttelte ihre blonden Locken. »Ein andermal.« Sie schlug eine Ausgabe der Zeitschrift Bauernhof auf und blätterte sie rasch durch bis zu den Anzeigen im hinteren Teil.
    Isabelle schaute ihr über die Schulter. »Meinst du, ein Bauer wäre besser als Jos?«
    Letty kicherte. »Manchmal glaube ich, ein Gorilla wäre besser als Jos. Hier drin findet man immer nette Männer. Es gibt viele einsame Bauernsöhne. Die suchen eine Frau, die zu ihnen auf den Flevopolder zieht oder mit der sie einen gesunden Betrieb aufbauen können.«
    »Aber das ist doch nichts für dich.«
    »Manchmal wird auch jemand fürs Ausland gesucht, Frankreich, Kanada. Da kommt man schon ins Nachdenken. Wo liegt eigentlich Middelaar?«
    »Keine Ahnung.«
    »Hier, das wär doch was für dich«, meinte Letty. »Ein Witwer mit einem erwachsenen Sohn.«
    »Für mich klingt das wie ein Patentrezept für Komplikationen«, erwiderte Isabelle. »Außerdem bin ich momentan nicht auf der Suche nach einem Freund.« Unwillkürlich warf sie einen Blick hinüber zu dem Rücken des Mannes auf der Weidenseite.
    »Die wollen keinen Sex«, fuhr Letty fort. »Hör dir das mal an: Witwer und erwachsener Sohn auf hübschem Bauernhof vermissen weibliches Element in ihrem Leben und bieten ohne Hintergedanken Unterkunft für junge Frau, die die Natur und Tiere liebt und bereit ist, dann und wann ein wenig mit anzupacken.«
    »Nett«, sagte Isabelle.
    »Du redest doch immer davon, dass du irgendwann mal bei deiner Tante ausziehen willst, und wenn jemand die Natur und Tiere liebt …« Letty grinste. »Und nett ist.«
    »Aber wenn dieser Jemand nicht so unbedingt auf einen Bauernhof ziehen will?«
    Leute kamen herein, setzten sich an die Tische, bestellten Kaffee. Die geschäftige Kaffee-Stunde vor dem Mittagessen. Die Gäste sahen jetzt wieder aus wie immer, als würde Isabelle durch Lettys Nähe wieder nüchtern.
    »Erstens bin ich nicht nett«, sagte Isabelle. »Und zweitens mache ich lieber zusammen mit dir unser Restaurant in der Veluwe auf.«
    »Vorausgesetzt, eine von uns gewinnt im Lotto.«
    Fünfzehn Minuten später sah Isabelle, dass der Mann seinen Stuhl um eine Vierteldrehung verrückt hatte, um den Tresen im Blickfeld zu haben. Letty war gerade auf der »Straßenseite« beschäftigt und schaute ein-, zweimal diensteifrig in seine Richtung, aber er wartete, bis Isabelle hinter dem Tresen hervorkam, bevor er die Hand hob, als wolle er nur von ihr bedient werden.
    »Ich muss leider gehen, ich glaube, mein Auto ist jetzt fertig«, sagte er, als sie neben ihm stand.
    »Ist Ihr Auto kaputt?«
    »Nein, es war nur in der Inspektion.« Er nickte in Richtung der modernen BMW-Werkstatt hundert Meter weiter. »Das dauert immer so ungefähr eine Stunde.«
    Er zahlte und sagte: »Der Rest ist für Sie«, mit einem leichten Zögern, als widerstrebe ihm der Gedanke, ihr ein Trinkgeld zu geben.
    Er stand auf, straffte den Rücken und zog sein Jackett an. »Vielen Dank«, sagte er dann. »Die Musik ist wirklich schön. Sie passen zu ihr.«
    Isabelle lächelte verlegen.
    Sie blieb einen Augenblick stehen, während er im Eingangsbereich verschwand, und setzte sich dann aus einer plötzlichen Eingebung heraus auf
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