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Isabelle

Isabelle

Titel: Isabelle
Autoren: Felix Thijssen
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du gekommen?«
    Max zuckte mit den Schultern. »Ich glaube nicht, dass noch viel darüber in die Öffentlichkeit gelangt. Die Justizbehörden geben nicht gerne zu, dass sie sich geirrt haben, und werden äußerst zurückhaltend reagieren. Der Mann, der den Auftrag für den Mord an Ben Visser erteilte, ist tot. Das alles liegt jetzt in der Hand der Franzosen, und ein Mord an einem ausländischen Erben erregt bei denen sehr wahrscheinlich weniger Aufsehen als ein Weinskandal.« Er skizzierte ihr die Sache in groben Zügen.
    »Das ist ja ganz schön verwickelt«, sagte Letty, die die Sache mit dem Natterngezücht der Blutsverwandten rasch begriff. »Jetzt könnte man ja sagen, dass es noch einen dritten Erben gibt, aber natürlich nicht unsere Bossche Bol, denn wir können ja schlecht behaupten, dass sie eine Tochter von Ben Visser ist.« Sie fing an zu kichern.
    »Lass uns die Sache nicht unnötig verkomplizieren.«
    Max war sich sicher, dass Judith es sich zweimal überlegen würde, bevor sie jemals auf die Idee käme, auf das französische Erbe zu spekulieren. Der Junge war ihr eigener Sohn, Ben Visser junior, der alleinige Erbe der Firma Colijn. Wenn sie davon abwiche, käme sofort ans Licht, dass sie nicht seine leibliche Mutter war. Der medizinische Beweis war leicht zu erbringen. Außerdem gab es für Judith keine finanziellen Gründe, denn Geld hatte sie genug. Es ging ihr um die Erfüllung ihres Lebens, das Mutterglück, auf das sie auch nicht für noch so viele Millionen verzichten würde.
    Max erkannte die Ironie des Ganzen, weil sie eigentlich dabei waren, dasselbe zu tun wie De Canter mit seiner Krankenhauserklärung. »Es gibt kein Kind von Alex Lafont. Isabelle ist die Erbin ihrer Mutter. Der französische Notar meint, dass die Witwe von Didier Lafont versuchen wird, ihr ihren Anteil abzukaufen, und zwar mit Hilfe ihrer Familie. Ich habe ihm mitgeteilt, er solle einfach ein Angebot unterbreiten, dann würde er schon hören, was Isabelle dazu sagt.«
    »Niemand wirft so einfach ein Vermögen zum Fenster raus«, sagte Letty nüchtern.
    »Ich habe dem Notar versprochen, dass er die nötigen Dokumente bekommt«, sagte Max. »Im Fall von Isabelles Mutter ist das kein Problem, sie wurde in Frankreich geboren und ihr Tod wurde registriert. Bei Isabelle brauchen wir nur zu beweisen, dass sie die Tochter von Amanda Mertens-Lafont ist.«
    »Das kriegen wir schon hin«, meinte Letty.
    Er zögerte. »Jetzt, wo sie das ganze Geld bekommt … Meinst du, Isabelle wird es jemals bereuen, dass sie eines ihrer Kinder weggegeben hat?«
    Letty dachte nach und schüttelte den Kopf. »Sie kann es niemals ungeschehen machen. Sie, Judith, die Klinik … Alle zusammen haben an einer Art Betrug mitgewirkt, oder wie soll man das nennen?«
    »Vielleicht Verwaltungsbetrug?«, schlug Max vor. »Eine saftige Geschichte für die Boulevardblätter.«
    »Aber das ist nicht der Hauptgrund«, fuhr Letty fort. »Isabelle ist einfach ein guter Mensch, sie hat ein gutes Herz, deshalb ist es manchmal leicht, sie übers Ohr zu hauen, aber sie, sie würde nie einen anderen Menschen betrügen. Sie könnte Judith das nicht antun. Sie hält ihre Versprechen, und das hat nichts mit Geld zu tun. Deswegen ist sie meine beste Freundin.«
    Es war still in der Suite. Isabelle hielt ihre Tochter in den Armen. Die späte Wintersonne fiel auf ihr vollkommenes Gesichtchen. Amandas Haut glänzte goldfarben, beinahe wie richtiges Gold.
    Isabelle dachte nicht mehr an den Mann, der in das Restaurant gekommen war und der, wie sie es gleich geahnt hatte, ihr Leben von Grund auf verändert hatte.
    Sie war jetzt eine andere, sie war eine Mutter.
    Sie konnte lernen, die Welt so zu sehen, wie ihre Tochter sie sah, mit ihren großen Augen, eine Welt, die ganz neu war, rein und unbefleckt, etwas ganz Besonderes und nur für sie gemacht, in diesem Augenblick.
     
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