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Isabelle

Isabelle

Titel: Isabelle
Autoren: Felix Thijssen
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allem deswegen gekommen, weil ich mit Marga reden wollte«, sagte er ruhig. »Über meine Pläne in Irland. Wir haben uns das letzte halbe Jahr re gelmäßig deswegen geschrieben.«
    »Aha«, sagte Max. »Ich lese ihre Post nicht. So was tut ein Gentleman nicht.« Er sprach heiter und gelassen, fühlte sich aber immer schlechter.
    »Ich wollte dich nicht beunruhigen«, sagte Marga.
    »Aber jetzt schon?«
    Sie sah Hendrik an. »Ich weiß es noch nicht.«
    Hendrik holte Luft und wandte sich ausdrücklich an Max. »Ich habe die Möglichkeit, ein ehemaliges Internat zu kaufen, direkt am Meer. Mir schwebt ein Projekt vor, aber ich habe nicht genug Geld, um es zu realisieren. Ich suche einen Partner. Wir könnten dort Kurse geben wie Malen, Schnitzen, Töpfern, Musik machen, was auch immer, in Kombination mit Planwagenausflügen, eben die Art von kreativem Urlaub anbieten, nach der im Mo ment große Nachfrage besteht.«
    Max schoss eine ganze Flut ironischer Bemerkungen dazu durch den Kopf, aber er brachte keine davon über die Lippen. Er streckte den Arm aus und fand Margas Hand, die auf ihrem Oberschenkel lag. Er tätschelte sie, ohne Marga anzuschauen, und sagte: »Dafür müsstest du deinen Bauernhof verkaufen.«
    Sie drehte ihre Hand um und hielt seine fest. »Ich bin hier ganz allein«, sagte sie, »und manchmal wird mir das Alleinsein zu viel. Hier geht es um mich, nicht um dich.«
    Er drückte ihre Hand. »Es regnet dort viel«, sagte er.
    Hendrik stand auf, als habe er über einen unsichtbaren Ohrstöpsel eine Nachricht empfangen, und sagte: »Ich muss jetzt gehen.«
    Max verabschiedete sich höflich von ihm und wünschte ihm viel Erfolg bei seinem Unternehmen. Marga begleitete Hendrik zum Auto, und Max blieb etwas verdattert zurück, bis er der kindlichen Versuchung nicht mehr widerstehen konnte, ihnen durch das Atelier und die Tenne zu folgen. Es war schon dunkel draußen, und unter dem Reetdach hervor konnte er sie auf dem fahlen schmelzenden Schnee nicht gut erkennen, bis sich durch den Bewegungsmelder automatisch der Scheinwerfer einschaltete, den befreundete Gebrauchtwagenhändler aus Sorge um ihre Lieblingstöpferin auf der Garage montiert hatten.
    Da sah er, wie sie dort standen, dicht beisammen, leise miteinander redend, das Komplott weiterschmiedend. Er sah, wie sie sich küssten, ob auf die Wange oder auf den Mund, konnte er nicht erkennen. Das Einzige, was er erkannte, war, dass es ihn traurig machte.
    »Carolien Colijn.«
    »Hier spricht Max Winter. Habe ich die falsche Nummer gewählt?«
    »Nein, ich bin gerade in der Wohnung meiner Tochter.«
    »Ich würde gerne einen Termin mit ihr machen. Ist sie zu Hause?«
    »Worum geht es?«
    »Meine Ermittlungen sind beendet, ich möchte Judith meinen Bericht aushändigen und den Fall abschließen.«
    Ein kurzes Zögern. »Meine Tochter hat mich gebeten, Ihnen auszurichten, dass sie keinen Bericht benötigt«, sagte Carolien förmlich. »Ihre Rechnung können Sie mit der Post schicken.«
    Max wusste nicht, was er davon halten sollte, und entgegnete widerspenstig: »Das kann ich gerne tun, aber es erscheint mir nicht mehr als korrekt, dass ich einige mündliche Erklärungen hinzufüge, und Ihre Tochter wird gewiss Fragen haben. Dafür wird sie doch wohl Zeit erübrigen können.«
    »Sie hat sehr viel zu tun«, sagte Carolien.
    Max seufzte. »Könnten Sie sie vielleicht kurz ans Telefon holen?«
    »Das geht schlecht, sie ist oben.«
    Seine Geduld war allmählich zu Ende. »Und dort gibt es kein Telefon?«
    »Vielleicht können Sie es später noch einmal versuchen«, sagte Carolien. »Sie ist gerade bei dem Baby.«
    Max glaubte, er hätte sie nicht richtig verstanden. »Bei dem was?«
    »Dem Baby. Judith hat vor zwei Tagen einen Sohn bekommen.«
    Eine halbe Minute lang wusste Max nicht, was er sagen sollte. Er bemerkte kaum, dass die Verbindung unterbrochen wurde, während sein Gehirn das Chaos von Fakten und Vermutungen verarbeitete und endlich zu dem Schluss kam, dass von allen Beteiligten nur eine schwanger gewesen war und ein Baby bekommen sollte. Und das war Isabelle.
    Die winterliche Morgensonne fiel strahlend auf den Obstgarten und auf das Häuschen, aber es war niemand zu Hause und die Seitentür war abgeschlossen. Max ging über den Plattenweg zum Zwischentor und stapfte vorsichtig durch den Matsch und am Misthaufen auf dem mit Beton ausgegossenen Mistplatz vorbei. Er hörte eine Symphonie von Mahler hinter den beschlagenen und verdreckten Stallfenstern.
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