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Irsud

Irsud

Titel: Irsud
Autoren: Jo Clayton
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Dann riß ein plötzlicher Gedanke ihren gekrümmten Rücken gerade. „Kätzchen. Die Augen. Verschwinde von hier, bevor …”
    „Nein.” Die Hiiri kicherte rauh. „Die Kipu ist zu beschäftigt, um sich um einen schlappen Körper zu kümmern. Sie hat mit einem Dutzend schwelender Rebellionen zu tun. Die anderen Städte brodeln vor Unruhe, und die Königinnen trotzen ihr, wo sie nur können, womit sie immer wieder an die Gefahrenlinie einer Explosion vorstoßen. Der Mord an Asshrud und deine Flucht … Das rührt in diesen habgierigen Weibsbildern einen ganz bestimmten Ehrgeiz auf. Jeder Tag bringt etwas Neues, um sie beschäftigt zu halten.
    Doch es gefällt ihr, denke ich, denn ihre Macht wächst jedes Mal, wenn sie triumphiert, aber das Brodeln unter der Oberfläche ist noch immer gefährlich. Da du also unter Drogen stehst, Kunniakas, hat sie das Problem, das du darstellst, in den Hintergrund ihrer Gedanken geschoben, um für dringendere Probleme Platz zu schaffen.”
    „Was ist mit den Hiiri?”
    „Sie kämpfen.” Aamunkoittas dunkle Augen blitzten. „Ich schicke noch immer Nachrichten an Nakivas, und er schlägt dort zu, wo die Schwachstellen sind.”
    „Ah. Und du hast deshalb so lange damit gewartet, mich aufzuwecken, bis die Kipu dermaßen beschäftigt ist?”
    „Ja. Bis sie vergaß, deinetwegen wachsam zu sein.”
    Aleytys rutschte weiter vor, zum Rand des Bettes. „Hilf mir aufstehen. Mein Körper ist durch das ganze Im-Bett-Liegen zu Brei geworden.”
    Bevor Aamunkoitta ihren Arm ergreifen konnte, verengte sich das Netz wieder und riß sie auf das Bett zurück. Sie war gelähmt, konnte weder Arme noch Beine bewegen, der Schädel war zu einem benommenen Blick zu den hauchzarten Vorhängen hinauf gezwungen, die von dem vergoldeten Insekt herunterfielen, der Mund war verschlossen, das Antlitz der Alten schwebte im Vordergrund ihres Verstandes, die Augen funkelten, der Mund war zu einem triumphierenden Lächeln gedehnt … Es erinnerte sie … erinnerte sie an etwas … Aber sie konnte sich nicht erinnern, etwas zappelte davon, oder vielmehr: Sie glitt davon weg, bevor sie es sehen konnte. Das Bild der Alten flackerte, zersplitterte in Fragmente, bildete sich neu.
    „Nein!” Das Wort zischte bösartig durch ihr Gehirn, durch ihren Körper, sie konnte es bis in die Zehenspitzen hinunter spüren, es raschelte in ihrer Leibesmitte, schrie in ihrem Geist.
    „Nein!”
    Aleytys schrie stumm, die Gesichtsmuskeln stemmten sich gegen die Kontrolle des Netzes an, diese klaustrophobischen Maschen, die sie aus ihrem eigenen Körper ausschlossen … Diese Empfindung war unheimlich vertraut … Sie weigerte sich, daran zu denken … Nein, sagte sie in Gedanken zu der Alten, leugnete sie, nein … und ihre Antwort war ein triumphierendes, schallendes Gelächter, das niemals enden wollte.
    Ohne zu denken, allein aus dem Instinkt heraus handelnd, griff sie nach dem Kraftfluß und tauchte ihren symbolischen Körper in die symbolischen Wasser, die Symbole stark wie … stärker als …
    sogenannte Realität, Bilder, die eine Realität darstellten, die weiter reichte, als das, was ein menschlicher Verstand begreifen konnte. Sie wand sich, kämpfte, hielt sich im Strom der Kraft, obwohl auch die Alte kämpfte, darum kämpfte, sie aus dem Fluß herauszuzerren. Wie ein Zweikampf zweier Ringer, die in einem Bottich voller Schlamm kämpften und bei dem sich jeder Mühe gab, die Handlungen des anderen zu kontrollieren, zu versuchen
    … bei dem jeder den anderen prüfte, jede Stelle, um eine Schwäche zu finden … Langsam, langsam zwang sie die Alte, sich zurückzuziehen, denn das schwarze Wasser stärkte ihre Körper
    Geist-Kraft, schälte die gummiartigen Fühler der Alten los, zwang sie zum Rückzug, lockerte ihren Halt an Nerv und Muskel
    … Zuerst den Kopf, das Zentrum des Bewußtseins, dann Arme, Beine, die Peripherie ihrer körperlichen Existenz; nach und nach zogen sich die Flimmerhärchen zurück, als sei es ihnen zu unbequem gemacht worden, sich an ihren Haltepunkten fest-zukral-len. Wie Angelschnüre rollte die Alte sie ein, bis Aleytys’ Körper von ihnen befreit war und sie sich in die Hauptmasse in Aleytys’
    Mutterschoß zurückgezogen hatten.
    Eine steigende Flut von Triumph brannte wild in ihrem Blut, und ihr Körper verkrampfte sich unter der ersten Geburtswehe.
    Schmerz durchjagte sie, aber sie lachte ihren Triumph in die Nachtdunkelheit des Schlafzimmers hinaus. Die Alte zerrte an ihr,
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