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Irrliebe

Irrliebe

Titel: Irrliebe
Autoren: Klaus Erfmeyer
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Handy von Frau Bellgardt, das wir am Unglücksort in ihrer unversehrt gebliebenen Umhängetasche gefunden haben, sind Nachrichten von einem Handy eingegangen, das nach unseren Feststellungen Ihnen gehört.« Er nahm ein Blatt aus einer dünnen Mappe, die auf seinem Schoß lag, und las vor: » 5. August, 16.36 Uhr: Hallo F., es ist ein großer Brief für dich da. Abholung heute gegen 19 Uhr? Gruß, Marie. Frau Bellgardt antwortete etwa zwei Stunden später: Okay, bin pünktlich. Dann eine wortgleiche Nachricht von Ihnen, Frau Schwarz, vom 11. August, nur mit einer anderen vorgeschlagenen Uhrzeit für die Abholung. Frau Bellgardt antwortete 15 Minuten später und bestätigte. Schließlich nochmals eine, bis auf die Uhrzeit identische, SMS von Ihnen am 14. August mit prompter Bestätigung von Frau Bellgardt. Danach herrschte lange Schweigen. In einer letzten Nachricht vom 17. Oktober haben Sie Frau Bellgardt darüber informiert, dass wieder ein Brief eingegangen sei.« Staatsanwalt Ylberi legte das Papier zur Seite und sah Marie an.
    »Sie hat eine Kontaktanzeige per Chiffre bei Kult-Mund geschaltet«, erklärte Marie. »Offizieller Auftraggeber war ich, sodass die Zuschriften an meine Adresse gingen. Ich habe sie dann an Franziska weitergeleitet.« Marie erklärte Franziskas Motivation und sah den Beamten fragend an.
    »Frau Bellgardts Freund wusste davon offensichtlich nichts. Er hat nichts in dieser Hinsicht erwähnt. Wir haben in der Wohnung, die Frau Bellgardt mit ihm bewohnte, nach Schriftstücken, insbesondere Briefen, gesucht, die uns bei den Ermittlungen weiterhelfen könnten. Aber wir haben nichts Persönliches gefunden, erst recht keine Briefe, die für Franziska Bellgardt bestimmt waren.«
    »Sie wird sie versteckt haben«, vermutete Marie. »Sie wollte ja gerade verhindern, dass Daniel etwas davon erfährt.«
    »Haben Sie eine Vorstellung davon, wo sie sie versteckt hat?«, fragte Ylberi.
    Marie schüttelte den Kopf. »Ich war niemals in ihrer Wohnung.«
    Es war ihr unangenehm, von Franziska so wenig zu wissen.
    »Darf ich den Anzeigentext sehen?«, fragte er weiter.
    »Ich kenne ihn nicht«, antwortete Marie und kam der zu erwartenden Frage zuvor: »Ich habe mich nicht darum gekümmert. Es war allein Franziskas Sache und auch allein ihre Idee. Ich habe die Briefsendungen ungeöffnet an sie weitergegeben.«
    »Franziska und Marie waren nicht so enge Freundinnen, wie Sie vielleicht denken«, sprang Stephan ein.
    »Kannten Sie Frau Bellgardt?«, wandte sich Ylberi an Stephan Knobel.
    Stephan schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe sie nur einmal flüchtig gesehen, als sie sich hier einen Brief von Kult-Mund abgeholt hat.«
    »Sie sind Rechtsanwalt und haben Ihre Kanzlei in der Prinz-Friedrich-Karl-Straße«, sagte Ylberi. »Seit einiger Zeit in Bürogemeinschaft mit Ihren Kollegen Hübenthal und Löffke, mit denen Sie früher eine Sozietät gebildet haben. Also arbeiten Sie nun für sich und teilen sich mit den anderen nur die Bürokosten«, rekapitulierte er seine Recherche. »Ihren Worten entnehme ich, dass sich Frau Bellgardt auch nicht aus beruflichen Gründen an Sie gewandt hat oder vielleicht wenden wollte.«
    Stephan verneinte.
    »War es Selbstmord?« Maries Frage hatte einen bangen Unterton. Ihre schicksalhafte Verantwortung lastete schwer.
    Ylberi hob unschlüssig die Schultern. »Wir wissen es nicht. Frau Bellgardt befand sich auf dem Weg nach Hause. Sie hatte bis 22.15 Uhr im Hospital gearbeitet. Der Dienst verlief normal. Niemand hat bei ihr Verhaltensauffälligkeiten oder Missstimmungen bemerkt. Nach ihrer Schicht ist sie, wie offensichtlich sonst auch, zum Bahnhof gegangen und wollte mit dem Zug in die Stadt fahren. Bis jetzt haben wir niemanden ermitteln können, der sich mit Frau Bellgardt zur fraglichen Zeit auf dem Bahnsteig befand. Es ist ein ziemlich einsamer Haltepunkt. Der Lokführer hat Frau Bellgardt erst spät und nur schemenhaft wahrgenommen. Es war dunkel, und es regnete stark. Wir können nicht ausschließen, dass sie bereits vorher auf dem Gleis lag. Als der Lokführer sie sah, war es jedenfalls zu spät. Ihn traf keine Schuld.«
    Der Staatsanwalt ordnete umständlich seine Mappe und sah wieder zu Marie.
    »Halten Sie denn einen Selbstmord für möglich?«
    Marie überlegte einen Augenblick. Im Zeitraffer durchlebte sie ihre Zeit mit Franziska, die häufig schwermütigen Begegnungen, die Vorwürfe, die unbeantwortet gebliebenen Fragen, schließlich ihre letzte Begegnung mit
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