Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Irrflug

Irrflug

Titel: Irrflug
Autoren: M Bomm
Vom Netzwerk:
ledergepolsterten Stuhl zurücklehnte: „Wissen Sie, ich muss bei Unternehmen Ihrer Größenordnung naturgemäß Prioritäten setzen. Ob Sie oder Ihre Mitarbeiter mal irgendwo einen falschen Bewirtungsbeleg für zehn Euro fuffzig reingeschmuggelt haben, stört mich nicht sonderlich. Das sind Peanuts im Vergleich zu dem, was heutzutage die Großunternehmen durch Finanztransaktionen dem Zugriff des Staates entziehen. Das sind Milliarden, glauben Sie mir.”
    Steinke kniff die Lippen zusammen und nickte zustimmend: „Gar keine Frage. Umso ärgerlicher, wenn die Ehrlichen immer stärker zur Kasse gebeten werden. Sie können sich sicher am besten vorstellen, wie wir seit Jahren unter den Lohnnebenkosten leiden.”
    „Ich stimme Ihnen vollkommen zu”, sagte Altmann und faltete seine Notizzettel zusammen, „die Steuergesetzgebung müsste längst rigoros reformiert werden. Doch stattdessen erlässt die Regierung, egal welcher Couleur, Jahr für Jahr neue Bestimmungen, Änderungen, Ausnahmen. Es ist, das kann ich ohne Umschweife sagen, schlichtweg unmöglich, dass ein Finanzbeamter alle diese Gesetze kennt.”
    „Demnach also reiner Zufall, wenn der Steuerbescheid korrekt ist”, stellte Steinke mit einem Quäntchen Wut fest.
    „Na ja”, Altmann begann, seine innere Verärgerung über den Gesetzgeber zu bremsen, „so pauschal kann man das nicht sagen. Aber ich geb’ Ihnen Recht: Wenn die Angaben auf den Formularen nicht korrekt sind, weil der Bürger sie nicht versteht, dann mag es durchaus vorkommen, dass er letztlich zu hoch besteuert wird.”
    Das brachte Steinke in Rage und deshalb steckte der Finanzbeamte seinen Kugelschreiber in die Jackett-Innentasche, um zu zeigen, dass er jetzt eigentlich keine Grundsatzdebatte über Wirtschafts- und Finanzpolitik führen wollte. „So wie Sie, denken sicher Millionen von Bürgern”, versuchte er dann die Wogen zu glätten, „und ich weiß aus meiner jahrzehntelangen Praxis, dass tatsächlich eine riesige Kluft besteht zwischen dem, was draußen in den Betrieben notwendig wäre, und dem, was die Politiker beschließen. Milliarden und Abermilliarden gehen dem Staat verloren, weil es eine Unmenge Steuer-Schlupflöcher gibt. Legale oder halblegale Tricks. Ich kann niemandem verübeln, wenn er sich solcher Methoden bedient. Auch Ihnen nicht.” Altmann hielt kurz inne, lächelte vielsagend, um dann weiterzufahren: „Es gibt Konzerne, die beschäftigen ganze Heerscharen von Wirtschaftsjuristen, die nichts anderes tun, als nach neuen Schlupflöchern zu trachten. Da werden neue Tochtergesellschaften gegründet, Verluste auf dem Papier gemacht, da wird ins Ausland verlagert, wieder zurückverlagert, da werden ruck-zuck, wenn’s plötzlich günstig erscheint, neue GmbHs angemeldet, Geld von einer Tochtergesellschaft zur anderen transferiert oder diese mit Verlust veräußert. Aber wem sag’ ich das …” Altmann brach ab. Steinke schwieg und schien plötzlich in Gedanken versunken zu sein.
    Der Finanzbeamte sah die Zeit für ein abschließendes Wort für gekommen: „Und anstatt diesem einen Riegel vorzuschieben, um die Staatsfinanzen wirklich und nachhaltig zu verbessern, werden Steuern erhöht und die kleinen Bürger geschröpft. So ist das. Auch wenn Sie das vielleicht nicht so gerne hören.” Er blickte sein nachdenklich gewordenes Gegenüber an, „aber gäbe es mehr Betriebsprüfer wie mich, die sich nicht auf Peanuts beschränken müssen, sondern wirklich die Zeit haben, den dicken Brocken nachzuspüren, hätte der Staat viele Millionen Einnahmen mehr.”
    Altmann stand auf, um die Diskussion nun zu beenden: „Aber vielleicht ist das politisch ja auch gar nicht gewollt”, stellte er mit ein bisschen Resignation in der Stimme fest.
     

2
    Auf der Hahnweide nahm der Menschenauflauf immer größere Ausmaße an. Inzwischen war vom nahen Campingplatz eine Vielzahl von Schaulustigen herübergeströmt. Weil sich das Gelände um den Flugplatz herum auch zum Gassi führen der Hunde anbot, tauchten zunehmend Menschen mit ihren Vierbeinern auf. Die Streifenwagen schienen die Schaulustigen geradezu magisch anzuziehen. Außerdem trafen nun nach und nach weitere Flugschüler ein. Hinzu kamen auch Piloten, die eine Maschine gechartert hatten – entweder zu einem Sightseeing-Rundflug oder aber nur, um Platzrunden zu drehen, deren Anzahl für die regelmäßige Verlängerung der Lizenz gesetzlich vorgeschrieben war.
    Zwei junge Polizeibeamte sorgten dafür, dass das rot-weiße
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher