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Irre - Wir behandeln die Falschen - Unser Problem sind die Normalen - Eine heitere Seelenkunde

Titel: Irre - Wir behandeln die Falschen - Unser Problem sind die Normalen - Eine heitere Seelenkunde
Autoren: Manfred Luetz Eckart von Hirschhausen
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Einverständnisses wohl. Doch wenn sie dann die Veranstaltung verlassen, ist das Leben wieder genauso bierernst wie vorher. Bei solchen Menschen, denen es wichtig ist, alles immer richtig zu machen, und die nie falsch parken, kommt einfach keine Stimmung auf. »Blödsinn« ist für sie ein vernichtendes Schimpfwort.

II Blödsinn
    Blödsinn kann aber durchaus etwas Erfreuliches sein. Der rheinische Karneval feiert den Blödsinn. Erwachsene Menschen werden kindisch und albern. Und sie lieben das. Die üblichen Kontrollen fallen weg. Das Kind im Manne kann sich genauso austoben wie alle anderen Kinder. Man sieht das Leben von einer ganz anderen Seite. Wir Kinder verkleideten uns nie mit gekauften Kostümen, sondern zogen ausrangierte, aber eben völlig unpassende »normale« Klamotten an. Mit dem Strohhut meiner väterlichen und dem Schlafrock meiner mütterlichen Großmutter ausstaffiert, brauchte ich nur noch einige verschlimmbessernde Korrekturen am Gesicht und schon konnte ich mich in den Trubel werfen. Man spielte verrückt und man genoss das. Es gibt Leute, die behaupten, Rheinländer seien nur in der so genannten fünften Jahreszeit, im Karneval, sie selbst. Den Rest des Jahres würden sie sich bloß verstellen und als normal verkleiden.
     
    Ähnliches habe ich beim Karneval in Venedig erlebt. Bei diesem ganz anderen Karneval, der voller künstlerischer Kreativität steckt, wird Venedig zur Bühne und Italiener spielen in den fantasievollsten Verkleidungen sich selbst und andere. Auch da kam mir der Verdacht, Italiener würden das ganze Jahr über nur vorgeschriebene Rollen spielen, und erst hier, beim Karneval, würden sie selbstvergessen sie selbst sein. Ich erlebte, wie verschiedene »Päpste« mit umfangreichem Gefolge sich plötzlich begegneten und auf der Straße eine hinreißende Komödie improvisierten. Exotische Masken präsentierten sich stundenlang auf den Plätzen der Stadt, nichts war ernst, alles war heiter, aber doch nicht witzig. Unfreiwillig witzig wirkten da bloß einige exilierte Rheinländer, die mit ihren uniformen Karnevalsmützen wie Störche im Salat durch das bunte Treiben stapften.
     
    Jedes Theaterspiel ist völlig zwecklos, aber höchst sinnvoll. Es regt den Geist an, die Fantasie, die Einbildungskraft,
es füllt den unwiederholbaren Moment des Lebens, in dem es sich vollzieht, und zieht den Betrachter auf diese Weise hinein in ein geistiges Abenteuer. So weitet jedes fantasievolle Spiel, auch das Theaterspiel, den Blick hinaus aus den Engen des normalen Lebens.
     
    Es gibt also fantasievolle Menschen, die spielen nur mal Blödsinn. Die versuchen auf diese Weise bloß probeweise, als Lockerungsübung, aus allzu eingefahrenen Gleisen auszubrechen. Allerdings gibt es leider auch Menschen, die wollen den Blödsinn sozusagen persönlich verkörpern. Doch das wird dann nicht lustig, leicht und unterhaltsam. Das wird bierernst. Und so etwas gibt es inzwischen flächendeckend, es greift um sich wie eine Seuche: der ganz normale Blödsinn.

1. Der ganz normale Blödsinn-Dieter Bohlen, Paris Hilton und das Wesen der Dinge
    Dieter Bohlen ist ein mäßig begabter Musiker, der sich gern Pop-Titan nennen lässt. Wie kaum ein anderer hat er die Medien für sich eingespannt. Seine Autobiografie, in der er vor allem von Aktivitäten seiner unteren Körperhälfte berichtet, wurde vor Jahren ein Bestseller. In so genannten Casting-Shows glänzt er vor dem Publikum mit, darauf legt er Wert, von ihm selbst erfundenen Unflätigkeiten. Die gießt er über schlicht begabte Gemüter aus, die es für den Höhepunkt ihres irdischen Daseins halten, einmal im Leben im Fernsehen zu sein - und sich dann bis auf die Knochen blamieren zu können. Gnadenlos zieht Dieter Bohlen mit menschenverachtenden Sprüchen über seine Opfer her - und verdient sich dabei dumm und dämlich. Immerhin ist Dieter dadurch von der Straße und langweilt sich nicht in einer Welt zu Tode, in der es so ein Prachtexemplar wie ihn nur einmal gibt. Schließlich ist das der einzige Mensch, für den er sich wirklich interessiert. Was ist das Geheimnis des Dieter Bohlen? Dieter Bohlen vermarktet sich selbst als Produkt. So hat er aus dem, was man eine schwere Beziehungsbehinderung nennen könnte, einen durchschlagenden Werbegag
gemacht. Dieter Bohlen hätte jedenfalls eigentlich das Zeug für einen richtig tragischen Fall. Er hält Frauenbeziehungen nur wenige Jahre durch. Dann ist der Titan entweder bei seinen Partnerinnen so sehr auf
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