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Irre - Wir behandeln die Falschen - Unser Problem sind die Normalen - Eine heitere Seelenkunde

Titel: Irre - Wir behandeln die Falschen - Unser Problem sind die Normalen - Eine heitere Seelenkunde
Autoren: Manfred Luetz Eckart von Hirschhausen
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Normalmaß geschrumpft, dass sie nicht mehr die Bewunderung für ihn aufbringen, die der Titan für einzig angemessen hält, oder der Hautbefund seiner Lebensabschnittspartnerinnen hat sich bedenklich verändert oder irgendeine andere Katastrophe ist eingetreten. Jedenfalls muss Dieter dann dringend wechseln. Er meldet das dramatische Ende regelmäßig in der Boulevard-Presse. Und wenig später wird dann »die Neue« vorgestellt. Auch in der Presse. Die Neue sieht meistens ziemlich genauso aus wie die Alte und wenn das nicht so ist, muss sie sich vermutlich bald umarbeiten lassen. Dieter Bohlen ist dann glücklich, was er auch ausführlich berichtet - bis es wieder so weit ist. Um die Dramatik dieser Live-soaps etwas zu erhöhen, wird schon mal die Reihenfolge verändert. Er lässt, wie es aussieht, zuerst die Neue in der Klatsch-Presse melden und macht dann erst mit der Alten Schluss. Das ist zwar für die Alte misslich, aber sie ist dann wenigstens vollständig im Bilde, wenn Dieter Bohlen ihr eröffnet, dass sie nun die Alte ist. Mitleid kommt da kaum auf, denn nichtentmündigte Frauen wissen schließlich, worauf sie sich beim Titan einlassen.
     
    Keiner meiner Patienten ist so abgedreht wie Dieter Bohlen und keine meiner Patientinnen so naiv wie seine Gespielinnen. Dennoch, so verrückt das Ganze auch ist, weder Dieter Bohlen selbst noch seine Alten/Neuen hätten die Chance, in der Psychiatrie behandelt zu werden. Dieter Bohlen erfreut sich nach Lage der Dinge praller körperlicher und seelischer Gesundheit. So sehr Sie sich dagegen sträuben, lieber Leser: Dieter Bohlen ist normal. Wer wird da noch meine These bestreiten, dass unser Problem nicht die psychisch Kranken sind. An diesem Beispiel von ganz normalem Blödsinn zeigt sich nur umso drastischer: Unser Problem sind die Normalen.
     
    Dieter Bohlen ist kein Einzelfall. Er ist auch keine Erstausgabe. Schon vor ihm gab es in unseren Breitengraden einen Gunter Sachs. Der machte im Wirtschaftswunderzeitalter klar, dass
man nichts können muss, um viel Geld auszugeben. Sein Beruf war Erbe-Sein und er lebte diese Berufung öffentlich mit aller Hingabe aus. Irgendwelche auch nur annähernd geistreiche Bemerkungen sind von ihm nicht überliefert. In unseren Tagen hat Boris Becker eine hervorragende Koordination des rechten Armes mit beiden Beinen bewiesen. Mit dieser Fähigkeit hat er als Tennisspieler viel Geld verdient. Dagegen ist nichts zu sagen. Doch dass man aus der Fähigkeit, bestimmte Muskelgruppen effektiv zu koordinieren, schließt, dieser Mann könne dann gewiss auch kluge Lebensweisheiten von sich geben, ist ein merkwürdiger Fehlschluss. Man weiß nicht genau, ob man für den so produzierten ganz normalen Blödsinn diejenigen verantwortlich machen soll, die ausdauernd solche Fragen ans falsche Objekt stellen, oder Boris Becker selbst, der keiner Kamera und keinem Mikrofon ausweicht. Weder bei Gunter Sachs noch bei Boris Becker wäre durch eine psychiatrische Behandlung Besserung zu erzielen. Es fehlt dafür nämlich die entscheidende Voraussetzung: Sie sind nicht krank. Ganz im Gegenteil, sie sind erschreckenderweise berstend normal.
     
    In Amerika ist von gleichem Kaliber eine gewisse Paris Hilton. Die reiche Hotelerbin hat sich entschlossen, ein Leben im Rampenlicht zu führen. Für jeden Blödsinn scheint sie zu haben zu sein. Ihre Fehlverhaltensweisen wurden neulich zu Recht mit Sozialstunden geahndet. Auch das Supermodel Naomi Campbell wird bisweilen sozial auffällig, wenn sie Telefone und Gläser gezielt auf ihre Hausangestellten wirft. Auch sie geht dann zum allgemeinen Vergnügen und mit großer Medienaufmerksamkeit ein paar Stunden sozial putzen. Völlig verrückt, sollte man meinen. Doch all diese selbstverliebten Stars sind nicht krank. Sie leiden nicht an ihrem offensichtlichen Narzissmus. Sie machen Geschäfte damit. Sie bieten sich mit all ihrer Egozentrik als Vorbilder an. Damit ruinieren sie zwar auf Dauer die sozialen Standards unserer Gesellschaften, aber das stört sie nicht weiter. Denn der ganz normale Blödsinn, den sie tagaus tagein produzieren, verkauft sich prachtvoll. Keine meiner Patientinnen hat sich jemals so dämlich und verantwortungslos benommen wie diese Partyladys. Dennoch, behandlungsbedürftig
sind Frau Hilton und Frau Campbell jedenfalls nicht. Alles völlig normal!
     
    Unterdessen hat sich der ganz normale Blödsinn zu einem eigenen Berufszweig entwickelt. Comedy heißt das Gewerbe und da werden ziemlich
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