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Irgendwann passiert alles von allein

Irgendwann passiert alles von allein

Titel: Irgendwann passiert alles von allein
Autoren: Philipp Mattheis
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Anstalten aufzustehen. Er bat den Besuch um eine Zigarette, ließ sie sich reichen und rauchte sie im Bett. Zwischendrin nahm er einen Schluck aus der Colalight-Flasche, die genauso beständig, wie Schenz im Bett lag, immer neben dem Bett stand. Er sagte, Cola light schmecke besser als normale Coke. Ich aber glaubte, er trank light, weil er Angst hatte, dick zu werden. Weil es nun mal einfach nicht stimmt, dass light besser als normale Cola schmeckt. In letzter Zeit lag Schenz immer mit Sina zusammen im Bett und sie verhielt sich genauso wie er: bat um eine Zigarette, rauchte und nahm einen Schluck aus der Cola-light-Flasche. Anfangs war es noch etwas peinlich gewesen, die beiden so anzutreffen, als würden wir sie in flagranti erwischen. Er hätte |34| ja gerade einen Steifen oder sonst was haben können. Doch Sina und Schenz gaben sich alle Mühe, diese Sitzaufteilung so normal wie möglich erscheinen zu lassen. Ab und zu lagen die Joypads der Playstation auf der Bettdecke, aber Sina zog gemeinsames Fernsehen vor. Immer, wenn wir zusammen spielten und Schenz’ Aufmerksamkeit sich über längere Zeit nicht auf sie richtete, sagte sie, wir seien kindisch. Ältere Jungs würden sich nicht für so einen Kinderkram interessieren.
    Doch dieses Mal war es anders. Schenz lag zwar im Bett, aber Sina saß auf einem Stuhl in der Ecke. Die Luft war so dick, als sei das ganze Meininger Jugendzentrum bei ihm auf eine Zigarette zu Besuch gewesen.
    »Servus«, sagte Schenz.
    Sinas blonde Haare lagen auf ihrer linken Schulter. Sie trug ein weißes, tief ausgeschnittenes Top, und als sie sich kurz rührte, um ihre Zigarette in einem metallenen, seltsam altmodisch anmutenden Aschenbecher auszudrücken, blitzte der schwarze Träger ihres BHs auf. In der nebligen Luft glaubte ich, das Grün ihrer Augen zu sehen, und ich wunderte mich, dass mir dieses Grün nie aufgefallen war und dass ich anscheinend überhaupt keinen Sinn für Augenfarben hatte, denn an wen ich auch dachte, Leo, Sam, Schenz oder wen auch immer, es fiel mir nicht ein, was die Farbe ihrer Augen war.
    »Na, Geld schon auf den Kopf gehauen?«, fragte Schenz und lachte sein schepperndes Altherrenlachen.
    |35| »Nein«, sagte ich. Natürlich nicht. Ich wusste überhaupt nicht, was man mit so viel Geld machen konnte, außer 20   Tage lang bei Franz eine Pizza zu bestellen.
    »Das bleibt unter uns.«
    Ich konnte nicht anders, als in Sinas Richtung zu blicken.
    »Ich habe vorhin mit Leo telefoniert. Er will unbedingt wieder rein. Wir holen da noch mehr raus, hat er gesagt. Wenn 500   Mark einfach so auf dem Tisch liegen, muss da noch mehr sein.«
    »Ihr spinnt doch!«, sagte Sina. Sie sprang auf und riss die Balkontür auf, die neben dem Kopfende von Schenz’ Bett war.
    »Komm bitte mal mit!«, sagte sie. Sie meinte nicht Schenz, sie meinte mich.
    Ich warf Schenz einen fragenden Blick zu, doch er starrte nur auf einen Punkt in der Ferne hinter der weißen Wand seines Zimmers. Sina und ich kannten uns nicht besonders gut, aber manchmal hatte ich den Eindruck, dass sie in mir einen Verbündeten gegen Schenz suchte. Jemanden, der sie in ihrer Meinung bestätigte oder sie besänftigte, wenn sie sich zu sehr aufregte, obwohl das ja eigentlich Schenz’ Sache war und nicht meine.
    Sina lehnte über dem hölzernen Geländer und blickte auf den Wald, der hinter den Feldern begann und an dessen Rand ein Friedhof lag. Die Nadelbäume waren dunkelgrün wie zu jeder Jahreszeit und das ist meiner Meinung auch der Grund, warum Nadelbäume unglaublich langweilig sind. Ich bemühte mich, nicht auf Sinas |36| Arsch zu blicken, der, weil sie ihren Rücken durchgestreckt hatte, noch größer und runder schien.
    Als sie die Hälfte ihrer Zigarette geraucht hatte, sagte sie: »Er redet seit gestern Abend von nichts anderem mehr. Es geht nur noch um dieses Geld. Er will sich ein Auto kaufen. Dabei hat er noch nicht mal den Führerschein. Er sagt, das nächste Mal holt ihr tausend raus. Ihr habt das Geld gestohlen! Es gehört jemandem!«
    »Na ja, immerhin war die Tür offen   …«
    »Er hat gesagt, ihr habt sie eingeschlagen.«
    »Nee, da hat er übertrieben«, versicherte ich. »Sie stand offen. Ganz bestimmt.«
    »Jedenfalls will ich nicht, dass ihr da noch mal reingeht. Das gibt nur Ärger.«
    Sie warf ihre Zigarette in den darunterliegenden Gartenteich, worüber sich Schenz’ Mutter maßlos aufregen würde, und ging wieder rein.
    »Ich muss jetzt weg«, sagte sie und streifte sich eine
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