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Irgendwann passiert alles von allein

Irgendwann passiert alles von allein

Titel: Irgendwann passiert alles von allein
Autoren: Philipp Mattheis
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Schutthaufen herum. Drei, vier große Schaufelladungen warf er damit in die Ecke, um zu beweisen, dass sich unter den Steinen nichts verbarg außer weiteren Steinen.
    Leo leuchtete den Grund ab, doch hier war kein Boden, zumindest kein richtiger. Im ganzen Keller lag nur Kies und Schotter herum.
    »Die haben hier einfach keinen Boden verlegt«, sagte Leo.
    Sam hatte sich in der Zwischenzeit eine Zigarette angezündet, die er mit zittriger Hand rauchte. Er murmelte immer wieder »G- G-Geister , Geister« und blickte abwechselnd nach rechts und nach links. Sam sah irgendwie desorientiert aus.
    Schenz summte noch immer. »Und diese Biene, die ich meine   …«
    »Mir reicht es hier. Gehen wir hoch«, sagte Leo.
    Hastig, aber doch langsam genug, um nicht zu stolpern, staksten wir die Treppe hinauf ins Tageslicht. Und nun, im Kontrast zum Keller, kam uns das Erdgeschoss fast schon vertraut vor. Sam hatte sich wieder gefangen. Zumindest war er in der Lage, Schenz mit Wucht gegen sein Schienbein zu treten.
    »Hör endlich auf, dieses verfickte B- B-Biene -Maja-Lied zu summen!«
    Schenz gab ein durch seinen Mundschutz gedämpftes »Au« von sich und hörte dann aber tatsächlich auf.
    |45| »Warum zum Teufel ist da kein Boden? Wer baut ein Haus ohne Boden?«, fragte ich.
    Schenz begann jetzt, nervös zu kichern. »Nicht verzagen, Willi fragen   …«
    »M- M-Mongo «, sagte Sam. Er nahm sein Cap vom Kopf und rubbelte sich über die auf drei Millimeter rasierte Glatze. »Vielleicht war da unten echt eine Leiche.«
    »Glaub ich nicht«, sagte Leo. »Da ist einfach Baustelle. Du schaust zu viele Horrorfilme.«
    »Warum k-k-kiffen wir eigentlich nicht hier drinnen?«
    »Weil du dann völlig durchdrehst«, sagte Schenz.
    »D-d-du machst dir hier doch in die Hosen und summst die ganze Zeit Biene Maja!«
    Während Schenz noch etwas sagen wollte, hatte Leo bereits die Bong ausgepackt. Wir kifften tatsächlich in diesem alten gruseligen Haus. Mir gefiel das: diese Mischung der Luft, wie sich die Süße des Grases mit dem Muff vermengte. Es war, als hätte jemand in diesem Haus die Zeit angehalten, und nun lief sie wieder weiter, weil in dem Haus hatte bestimmt noch nie irgendjemand gekifft.
    Wir stiegen die Treppe in den ersten Stock hinauf. Doch anstatt wie letztes Mal gemeinsam ängstlich Raum für Raum zu erforschen, brach nun Hektik aus. Sam lief in das Zimmer am Ende des Ganges. Ich folgte ihm, es war das Wohnzimmer samt Klavier und verstaubter grüner Samtcouch. An der beige gemusterten Tapete hingen Ölbilder, die Jäger und Hirsche zeigten. |46| Schenz rief laut etwas, das ich nicht verstand, und ich ließ Sam alleine die Schränke mit Geschirr öffnen.
    Schenz stand in einem kleinen Schlafzimmer, ein Stockwerk über der Terrasse und zwei Stockwerke über dem Kellerzimmer mit dem Schutthaufen. Er hatte die Matratze angehoben, Staubkörner wirbelten durch die Luft. Zum Vorschein kam ein Stapel Briefumschläge, von der Zeit grau und gelblich schattiert und gesprenkelt.
    Schenz ließ die Matratze mit einem Ruck fallen. Hastig öffneten wir Umschlag für Umschlag. In der Zwischenzeit hatte sich Leo den Flur vorgenommen. Als Schenz und ich mit den Umschlägen in der Hand in den Gang traten, kniete er am Ende eines langen rötlichen Perserteppichs und begann ihn aufzurollen. Darunter war hellgraues Linoleum, das einen Blick in die Vergangenheit gewährte, als dieses Haus einmal neu war. Leo rollte hektisch und schlug dabei immer wieder Falten, weswegen er mehrmals von vorne beginnen musste. Er sah aus wie ein Teppichverleger auf MDMA.   Und als auch er plötzlich auf ein kleineres Bündel alter Umschläge stieß, konnten Schenz und ich uns nicht mehr halten. Wir flippten wirklich aus. Wir grinsten und gackerten. Und ich glaube, wir küssten uns sogar, was ja in jeder anderen Situation unglaublich schwul gewesen wäre, aber jetzt passte es irgendwie. Leo riss die Umschläge auf, er zerfetzte sie in der Luft, gierig und zornig, bis er endlich auf ein blaues Bündel Geldscheine stieß. An meinen Händen klebte lauter Staub und Dreck und das pergamentene Papier der Scheine |47| glitt stockend über meine Fingerkuppen. Schenz griff in das Bündel, rieb daran.
    Sam lief zurück in den Flur. Fast wäre er über Leo gestolpert.
    »W-w-was ist?«
    Leo warf nun wie beim ersten Mal Scheine in die Luft. Doch dieses Mal flatterten nicht fünf, sondern Dutzende Hundertmarkscheine durch die konservierte Luft. Wie Herbstblätter fielen sie zu
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