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Intruder 4

Intruder 4

Titel: Intruder 4
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Hotel«, antwortete Mike. »Es wird Zeit, dass wir das Zimmer räumen. Ich habe ihm gesagt, dass wir verschwinden, sobald wir einen Kaffee getrunken haben, und er hat anscheinend nichts dagegen.«
    »Echt?«, fragte Stefan. »Du mauserst dich ja allmählich zu einem richtigen Sprachgenie.«
    »Jeder hat eben so seine verborgenen Talente«, sagte Frank.
    »Warum demonstrierst du uns nicht deine und belädst schon mal die Maschinen?«
    Stefan machte ein finsteres Gesicht und grummelte: »Ja, Massa.« Er drehte sich trotzdem gehorsam um und verschwand aus der Küche. Nur einen Augenblick später hörten sie ihn durch die Diele schlurfen und das Apartment verlassen. Mike ging zum Schrank und nahm Tassen und Unterteller heraus, noch immer mit den typisch ungelenken Bewegungen eines Menschen, der zu früh und zu abrupt aus einer Tie fschlafphase gerissen worden ist und sich nur einbildet, wirklich wach zu sein. Frank rührte keinen Finger, um ihm zu helfen, sondern lehnte sich mit verschränkten Armen gegen den Türrahmen und fragte schließlich: »Was war vorhin los?«
    Mike überlegte eine halbe Sekunde ernsthaft, ob er wütend werden sollte, entschied sich aber dann aus rein praktischen Gründen dagegen. Sein Bedarf an Aufregungen war gedeckt.
    »Nichts«, behauptete er. »Ich hatte wieder eine vo n diesen Halluzinationen. Meine Nerven schleifen am Fußboden.
    Wundert dich das?«
    »Das meine ich nicht.« Frank faltete irgendwie umständlich die Arme auseinander und legte die rechte Hand mit gespreizten Fingern auf die Brust. Es war eine genaue Imitation von Mikes Haltung beim Verlassen des Restaurants.
    »Wovon sprichst du?«, fragte Mike ein wenig in Panik.
    Natürlich wusste er es ganz genau und wollte nur etwas Zeit schinden. Er hatte gehofft, dass seine beiden Freunde nicht bemerken würden, was mit ihm los war, aber natürlich war 23
    diese Hoffnung ziemlich naiv gewesen. Bei Stefan mochte es möglicherweise klappen, Frank kannte ihn jedoch einfach viel zu gut.
    »Wie schlimm ist es?«, fragte Frank.
    »Ich weiß wirklich nicht, wovon du ...«
    »Du weißt verdammt noch mal ganz genau, wovon ich rede«, fiel ihm Frank ins Wort. »Ich bin nämlich nicht blind. Und das auch nicht erst seit heute.« Er hob die Schultern und schürzte demonstrativ und leicht verächtlich die Lippen.
    »Außerdem bin ich nicht blöd.«
    »Habe ich das jemals behauptet?« Verdammt, er hatte weder die Zeit noch die Energie, sich jetzt auch noch damit zu beschäftigen!
    »Nicht mit Worten«, antwortete Frank.
    »Was soll denn das jetzt wieder heißen?« Mike setzte sich, goss sich einen Kaffee ein und begann hektisch darin zu rühren, obwohl er noch gar keinen Zucker hineingetan hatte.
    »Ich bin nicht nur dein Übersetzungssklave, sondern redigiere noch dazu deine Texte«, erinnerte ihn Frank.
    »Und?«, fragte Mike. »Dafür wirst du schließlich bezahlt, oder?«
    »Mitnichten.« Frank deutete ein Grinsen an. »Ich betrachte den Hungerlohn, mit dem du mich abspeist, bestenfalls als Schmerzensgeld.«
    »Worauf willst du hinaus? Auf eine Gehaltserhöhung?«
    »Keine schlechte Idee, aber lenk nicht ab«, sagte Frank.
    »Deine Texte haben sich verändert, weißt du das? Wahrscheinlich bin ich der Einzige, der es merkt, aber sie sind düsterer geworden. Du beschäftigst dich in letzter Zeit ziemlich viel mit dem Tod, finde ich.«
    »Vielleicht sollte ich dir das Gehalt kürzen, statt es zu erhö-
    hen«, sagte Mike. »Anscheinend ist dir noch gar nicht aufgefallen, dass ich historische Kriminalromane schreibe.«
    »Du schreibst schlechte Kriminalromane, und ich habe das 24
    zweifelhafte Vergnügen, den historischen Teil zu recherchieren und aus deinem Gekritzel einen lesbaren Text zu machen«, stichelte Frank.
    »Das behauptest du«, sagte Mike. »Ich kenne eine Menge Leute, die der Meinung sind, meine Bücher wären nicht deshalb gut, weil du sie bearbeitest, sondern obwohl.«
    Er konnte gar nicht mehr sagen, wie oft sie dieses Nonsens-Gespräch schon geführt hatten, eine harmlos- freundschaftliche Frotzelei, in der manchmal vielleicht auch eine Spur von Ernst mitschwang; ein Hauch von Neid auf der einen Seite und ein Hauch von schlechtem Gewissen auf der anderen - wobei die Seiten durchaus wechselten. So lange sie sich erinnern konnten hatten sie beide davon geträumt, große und berühmte Schrift-steller zu werden. Im Grunde hatten sie während ihrer gesamten Jugend über nichts anderes geredet (sah man von den üblichen Themen einmal
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