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Internat auf Probe

Internat auf Probe

Titel: Internat auf Probe
Autoren: Dagmar Hoßfeld
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Problem“, schränkt er nach einer ganzen Weile ein. Er wischt sich den Mund ab, faltet die Serviette zusammen und legt sie ordentlich neben seinen Teller.
    „Und welches?“, mümmelt Carlotta.
    „Ich werde ziemlich lange unterwegs sein“, erwidert Papa.
    „Wie lange denn?“, fragt Carlotta.
    Papa spielt wieder mit dem Salzstreuer. Er sieht Carlotta in die Augen und sagt: „Mindestens ein Jahr. Vielleicht auch länger.“
    Carlotta starrt ihn sekundenlang an.
    „Was!?“, krächzt sie, als sie wieder sprechen kann. Ihre Hand schwebt mit einem Stück Pizza irgendwo zwischen Tisch und Mund. Langsam lässt sie die Hand sinken und legt das Pizzateil zurück. Ihre Kehle ist total ausgetrocknet, aber sie schafft es einfach nicht, ihr Glas zu nehmen und einen Schluck zu trinken.
    Papa schiebt den Salzstreuer beiseite und trommelt mit den Fingern auf der Tischplatte.
    „Carlotta, du weißt, wie wichtig dieser Film für mich ist“, sagt er eindringlich. „Dieser Auftrag ist der wichtigste Auftrag meiner Karriere, ach was, meines Lebens! Es ist dir doch klar, was das für mich bedeutet, oder?“
    Carlotta kann nur stumm nicken.
    Ihr Vater fährt fort: „Wir werden einmal rund um den Globus reisen, von Island nach Feuerland, vom Nordpol an den Südpol, von Argentinien über Afrika nach Australien. Wir wollen überall nach den Spuren des Klimawandels suchen und sie dokumentieren. Wir werden monate-, wenn nicht jahrelang unterwegs sein und filmen. Das ist kein Wochenendausflug.“
    Wieder nickt Carlotta.
    „Ich weiß“, murmelt sie leise. „Aber … du kannst mich doch nicht ein ganzes Jahr allein lassen!“
    Papa runzelt die Stirn. „Natürlich nicht!“
    Carlottas Augen werden groß. „Heißt das, du nimmst mich mit?“, fragt sie. „Mann, das ist ja cool!“
    „Aber nein.“ Papa schüttelt energisch den Kopf. „Wie stellst du dir das denn vor? Du gehst natürlich zu deiner Mutter. Ich habe schon alles mit ihr besprochen. In ein paar Wochen bist du mit der Grundschule fertig. Nach den Sommerferien musst du so oder so die Schule wechseln. Die Umstellung wird dir also nicht so schwerfallen wie in einem laufenden Schuljahr. Mama hat schon ein Gymnasium für dich ausgesucht. Es wird dir gefallen, und außerdem“, er nimmt einen Schluck Schorle, „macht es dir bestimmt Spaß, mit den Kleinen zusammen zu sein. Ihr seht euch selten genug.“
    In Carlottas Magen ballt sich ein Klumpen zusammen. Hat sie eben richtig gehört? Sie soll zu Mama, dem Rundbauchnilpferd und den Zwergen? Sie wird abgeschoben und an eine wildfremde Schule verpflanzt? Und über all das haben Mama und Papa schon entschieden? Einfach so? Hinter ihrem Rücken?
    „Vergiss es!“, stößt sie hervor. Sie greift nach ihrem Limoglas. Am liebsten würde sie es an die Wand knallen. Stattdessen trinkt sie es in einem Zug leer und rülpst so laut sie kann.
    „Carlotta!“, sagt Papa erschrocken.
    Carlotta rülpst noch einmal. Am Nachbartisch dreht sich ein Mann um. Carlotta streckt ihm die Zunge raus. Schnell dreht er sich wieder um.
    „Ich denk ja gar nicht daran!“, zischt Carlotta und verschränkt die Arme vor der Brust. „Ich zieh nicht zu Mama! Ich geh hier mit Katie aufs Gymnasium. Ich komm auch allein zurecht. Du kannst mich ja zwischendurch mal besuchen, wenn du in der Nähe bist. Ich bleib jedenfalls hier.“
    Papa schluckt. „Du möchtest sicher keinen Nachtisch mehr?“, fragt er. Es ist eher eine Feststellung als eine Frage. Mit einem Handzeichen bedeutet er der Bedienung, dass er bezahlen möchte.
    „Nee, danke“, grummelt Carlotta. „Mir ist der Appetit vergangen.“
    „Mir auch“, grummelt Papa zurück.
    Als sie ins Auto steigen, verzieht Papa keine Miene. Schweigend steckt er den Schlüssel ins Zündschloss und fährt los. Carlotta sitzt neben ihm und starrt aus dem Fenster. Am liebsten würde sie losheulen, aber den Gefallen tut sie ihm nicht.
    Er wird schon sehen, was er davon hat, denkt sie. Und Mama auch! So was Gemeines!
    Carlotta denkt an Katie, ihre allerbeste Freundin, seit dem Kindergarten schon. Dass sie nach den Sommerferien zusammen aufs Gymnasium gehen und nebeneinander sitzen, ist längst beschlossene Sache. Daran gibt’s nichts zu rütteln, da können Mama und Papa sich auf den Kopf stellen. Katie und sie sind beste Freundinnen. Für immer, das haben sie sich sogar geschworen. Was die wohl zu der ganzen Sache sagt? Bestimmt ist sie auch stocksauer. „Vielleicht kann ich ja bei Katie wohnen“, murmelt
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