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Inspektor Jury küsst die Muse

Inspektor Jury küsst die Muse

Titel: Inspektor Jury küsst die Muse
Autoren: Martha Grimes
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Wir können die ganze Geschichte auch allein zusammenflicken, aber es würde jede Menge Nähte geben. Sie haben das alles wegen Nell Altman getan, weil sie von Jonathan getäuscht, betrogen und – wie ich vermute – verführt worden ist … Und dann dachten Sie, Farraday hätte sie vollends zugrunde gerichtet.» Jury schwieg einen Augenblick. «Sie haben sie geliebt.»
    Harveys tränenerstickte Stimme kam irgendwo zwischen Sofa und Teppich hervor. «Ja, verdammt, ich habe sie geliebt!» Endlich richtete Harvey sich auf. «Jonathan hat sie mir genommen, genau wie alles andere auch. Ich kannte Helen – damals war Penny noch ein Baby –, und ich wollte sie heiraten, aber dann tauchte Jonathan auf, dieser Scheißkerl! Er hat sie benutzt, wie alle Frauen. Arme Helen …» Harvey stützte den Kopf wieder in die Hände.
    Jurys Schweigen war so endlos, daß es schließlich brach: «Aber diese Vendetta gegen Farraday –»
    «Er ließ sie krepieren, verdammt noch mal! Soviel kann ich Ihnen sagen: Ich wollte, daß auch er mal erfährt, wie das ist. Und die beiden waren ohnehin Schlampen … Ich hatte schließlich einen Privatdetektiv beauftragt, Helen zu suchen – nachdem sie mit dem Baby abgehauen war. Aber erst nach Jahren.» Es entstand eine lange Pause. «Und ich hatte zu lange gewartet. Sie war tot.»
    «Sie war todgeweiht, Harvey. Sie hat sich von irgend jemandem die Syphilis geholt», sagte Plant.
    «Bestimmt von Farraday.»
    Jury schüttelte den Kopf. «Nein. Wohl nicht. Aber was hatte Gwendolyn Bracegirdle mit James Farraday zu tun?»
    «Nichts. Sie redete nur zuviel. Und sie hatte einen Blick für Gesichter. Sie fing immer wieder damit an, wie sehr Jimmy mir ähnelte – genauer gesagt, Jonathan ähnelte, doch das wußte Gwen nicht. Solange sie da war, konnte ich meinen Plan nicht durchführen. Ich mußte sie zum Schweigen bringen.»
    «Und was hatten Sie mit Penny Farraday vor?» fragte Wiggins.
    Harvey sah ihn an, als wäre er ein Fremder. «Mit ihr vor? Glauben Sie, ich hätte Penny etwas angetan? Sie ist Helens Tochter !» Er lehnte sich zurück und wischte sich den Schweiß von der Stirn. «Gar nichts. Mit Jimmy ist das etwas anderes. Zwischen Jimmy und mir hat es gefunkt. Jimmy hätte ich davon überzeugen können …»
    Wieder Schweigen. Schließlich fragte Wiggins: «Wovon?»
    Aber das flüchtige Lächeln auf Harveys Gesicht ließ erkennen, daß er gar nicht da war. «Ich mußte ihm natürlich ein Schlafmittel geben. Von Stratford nach Heathrow habe ich einen Mietwagen genommen, dann ging’s ins Flugzeug. Der Junge hat vielleicht geschlafen, das können Sie mir glauben. Einmal ist er im Flugzeug aufgewacht und hat sich eine Weile den Film angesehen.» Harvey lachte vergnügt, als hätte er alles außer Jimmy Farraday vergessen. «Der Junge hat unglaublich viel Phantasie. Er war wie Helen –» Plötzlich schien er aus seinem Traum zu erwachen. «Ich mußte ihm noch eine Spritze geben», fuhr er fort und rieb sich mit den Händen durch das Gesicht, als hätte er selbst lange geschlafen. «Er ist in meinem Haus in Virginia. In der Nähe des Potomac. Das Haus habe ich gekauft, als ich diesen kleinen Plan ausheckte. Ein altes Haus mitten im Wald, und es hat ein Zimmer hoch oben unter dem Dach mit einem Gitter vor dem Fenster. Wie ein Schlößchen. Wie geschaffen für ein Kind. Der Mann, der dort lebt und es instand hält, ist ziemlich einfältig. Macht ja nichts. Man zahlt eben, und wenn man genügend zahlt, dann tun die Leute, was man ihnen sagt. Als ich mit Jimmy dort ankam, habe ich dem Mann erklärt, der Junge sei krank und dürfe auf keinen Fall das Zimmer verlassen; er solle ihm nur genügend zu essen geben, ich käme in ein paar Tagen zurück …» Sein Blick glitt leer über sie hin. «Farraday …» Es hörte sich an, als hätte er das Interesse an seinem eigenen Reden verloren.
    «Ich glaube, Sie haben Ihren Claudius doch gefunden», sagte Melrose.
    Harvey Schoenberg antwortete nicht.
    Jury sah ihn eine Weile an. Dann sagte er: «Übernehmen Sie den Rest, Wiggins», und verließ das Zimmer.

35
    James Carlton Farraday stand auf dem Dulles Airport neben dem großen schwarzen Polizisten, Sergeant Poole, den er spätestens dann ins Herz geschlossen hatte, als er losgezogen war und ihm und der Katze Jell-O besorgt hatte.
    «Ich hab’s ihm gesagt, Miss», wandte sich Sergeant Poole an die Stewardess. «Aber er glaubt mir nicht.» Sergeant Poole spähte in den Katzenkorb, der allen Vorschriften für
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