Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Inspektor Jury küsst die Muse

Inspektor Jury küsst die Muse

Titel: Inspektor Jury küsst die Muse
Autoren: Martha Grimes
Vom Netzwerk:
sagte, ja, sie wüßte, wo das Polizeirevier ist, aber warum er es wissen wollte, ob er Probleme hätte? Sie überragte ihn, ein weißer Berg voller Fragen und Krankenschwesternnettigkeit, was ihn an seine alte Haushälterin erinnerte. Er sagte, nein, alles wäre in Ordnung, sein Vater wäre Polizeichef, und nachdem er sie mit dieser kleinen Information verblüfft hatte, gab er zur Ausschmückung an, die Katze wäre von einem Auto angefahren worden. Als hätte sie sich mit ihrem Wohltäter verschworen, um so eine Zuflucht zu finden, miaute die graue Katze jämmerlich.
    Mit Unfällen, Krankheit und Tragödien vertraut, zeigte die Frau eiligst die Straße hinauf, sagte ihm, um welche Ecken er biegen mußte, und wünschte ihm Glück. Bevor sie auseinandergingen, gab sie der Katze einen leichten Klaps, und James Carlton setzte seinen Weg fort.
     
    Als James Carlton schließlich das Polizeirevier von Georgetown, Washington, D.C. betrat, sah der diensthabende Beamte, ein gutaussehender schwarzer Polizist, mit einem strahlenden Lächeln von seinem Schreibtisch auf.
    James Carlton hatte schon immer gewußt, daß die Polizei ein Herz für vermißte Kinder und Tiere hatte, und sprudelte ohne Umschweife los: «Ich heiße James Carlton Farraday, und mein Vater – ich meine, mein Stiefvater – ist James C. Farraday. Er ist zur Zeit in Stratford-upon-Avon. Das liegt in England. Und ich bin vor fünf Tagen gekidnappt worden.»
    Im Lauf seiner Erzählung wechselte der Ausdruck auf dem Gesicht des Polizisten von nachsichtiger Verwunderung zu ungläubigem Erstaunen. Dennoch machte er sich sorgfältig Notizen. Schließlich sagte er vorsichtig, James Carlton sei wirklich ein sehr tapferer Junge, und seine Geschichte sei gewiß aufregend und romantisch, aber … Und hier wurde er von einem tödlich beleidigten James Carlton unterbrochen.
    «Daran ist überhaupt nichts Romantisches . Wenn Sie mir nicht glauben, der Beweis steht auf der Rückseite eines Bildes in dem Haus dahinten.» Er deutete vage in Richtung des Potomac. «Ich war fünf Tage lang gekidnappt und diese Katze hier auch –» Er hielt sie hoch, um zu zeigen, wie eine gekidnappte Katze aussah.
    Den Tränen so nahe wie noch nie in seinem Leben, fügte James Carlton lauter als notwendig hinzu: «Haben Sie in dem Knast hier vielleicht so etwas wie Jell-O?»

34
    Im «Brown’s» ließ Jonathan Schoenberg Jury, Wiggins und Melrose Plant in sein Zimmer treten, ohne großes Interesse dafür zu bekunden, warum die Polizei ihn schon wieder sprechen wollte oder warum sich eine Privatperson in ihrer Begleitung befand.
    «Wir haben da noch ein paar Fragen, Mr. Schoenberg», sagte Jury im Stehen, während sich die anderen setzten, Schoenberg auf seinen früheren Platz auf dem Sofa, Plant und Wiggins in bequeme Ohrensessel. Das Hotel war bei der Möblierung der Zimmer nicht knickerig gewesen.
    «Diese Bitterkeit im Verhältnis zwischen Ihnen und Ihrem Bruder –»
    «Harvey war der Verbitterte, Superintendent.»
    «Mag sein. Ich habe mich nur gefragt, ob da nicht noch etwas anderes hineinspielte, Frauen vielleicht?»
    Jonathan schien überrascht. «Frauen?»
    «Vielleicht nur eine Frau –»
    Schoenberg lachte. «Hören Sie, sollten Sie nicht besser Fragen stellen, die auch etwas mit dem Mord an Harvey zu tun haben?»
    «Ich denke, diese Frage hat damit zu tun. Sie waren nie verheiratet?»
    «Was, zum Teufel –» Er zuckte die Achseln. «Nein. Wieso sich fürs ganze Leben an eine einzige Frau binden? Man muß nicht erst heiraten, um eine Frau zu bekommen.» Er lehnte sich zurück und löste den Knoten seiner Krawatte, als würde bereits die ihn in seiner Freiheit einschränken. «Ich bin der Frau, die es wert wäre, noch nicht begegnet.»
    Jury sah an ihm vorbei zum Fenster. Draußen wurde es langsam dunkel, und die Schatten ließen die Umrisse der Stühle und Tische verschwimmen. «Dachte Harvey da ähnlich?»
    «Harvey? Woher soll ich das wissen?»
    «Und dann wäre noch zu klären: Wieso die anderen drei Morde.»
    «Sie haben es anscheinend mit einem blutrünstigen Psychopathen zu tun, Superintendent.» Schoenberg zündete sich an seinem Zigarettenstummel eine neue Zigarette an.
    «Das glaube ich nicht.» Er machte eine Kopfbewegung zu Melrose hin. «Mr. Plant kennen Sie bereits. Er hat da eine interessante Theorie –»
    «Es wäre mir lieber, Scotland Yard unternähme etwas, anstatt herumzutheoretisieren.»
    «Der Tod Christopher Marlowes –» begann Melrose. Weiter kam er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher