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Inspector Barnaby 06 - Ein sicheres Versteck

Inspector Barnaby 06 - Ein sicheres Versteck

Titel: Inspector Barnaby 06 - Ein sicheres Versteck
Autoren: Caroline Graham
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noch nie so hellwach gefühlt, fürchtete sogar, dass sie nie mehr würde schlafen können. Sie schraubte die Verschlusskappe ab und stellte ohne sonderliche Überraschung fest, dass die Flasche, die sie bisher erst einmal benutzt hatte, fast leer war.
      Sie ließ ihre Sachen auf den Boden fallen, zog einen Bademantel über und ging nach unten, um sich einen Drink einzuschenken. Es gab nicht viel Auswahl. Harvey's Bristol Cream. Einen kleinen Rest Dubonnet, den ihr Mann immer in Soda ertränkte und dann tollkühn trank. Und Rose's Limonensaft.
      Ann seufzte. In ihrem augenblicklichen Gemütszustand war sie stark versucht, das ganze Zeug in ein großes Glas zu kippen und sich sinnlos zu betrinken. Stattdessen öffnete sie eine Tür des großen, mit Schnitzereien verzierten Sideboards und entdeckte ganz hinten in der Ecke eine einsame Flasche Rotwein von Sainsbury. Als sie fünf Minuten später in dem duftenden Badewasser lag und das fruchtige Zeug in sich hineinschüttete, ließ sie die furchtbaren Ereignisse der letzten zwei Stunden noch einmal Bild für Bild vor sich ablaufen. Sie konnte immer noch nicht fassen, dass ihr der Boden so brutal unter den Füßen weggerissen worden war. Oder dass die Ereignisse so schnell außer Kontrolle geraten waren. Es musste doch irgendeinen Punkt gegeben haben, an dem sie es noch hätte vermeiden können, in dieses fürchterliche Chaos hineingezogen zu werden.
      Begonnen hatte es damit, dass die Ohrringe ihrer Mutter verschwunden waren. Zarte erlesene Stücke mit rosaroten Diamanten und Smaragden auf Amethystklipsen. Ann hatte sie zu ihrem achtzehnten Geburtstag bekommen, zusammen mit einer Taschenuhr an einem glänzenden Seidenband, einer Kette aus Granaten und Türkisen sowie mehreren hübschen Ringen, die allerdings so eng waren, dass sie sie nur am kleinen Finger tragen konnte.
      Sie hatte nach einem Taschentuch gesucht, als sie feststellte, dass das Seidentuch mit Schildpattmuster, unter dem sie ihr geschnitztes Schmuckkästchen aufbewahrte, anders lag als sonst. Sie öffnete das Kästchen. Die Ohrringe waren weg.
      Ann trug den Schmuck nur selten. Das Leben, das sie führte, bot nur wenig Gelegenheit, solche schönen Dinge zu tragen - oder damit anzugeben, wie ihr Mann es ausdrücken würde. Wir dürfen unseren Reichtum nicht zur Schau stellen, pflegte er häufig in seiner ruhigen und äußerst unkritischen Art zu sagen. Ann stimmte ihm stets zu und wies nie darauf hin, dass es streng genommen ihr Reichtum war.
      Mit zitternden Fingern ging sie die anderen Stücke in dem Kästchen durch. Sie zählte die Ringe, drückte die Kette kurz an ihre Brust und packte dann alles wieder weg. Sonst fehlte nichts. Sie starrte auf ihr blasses Gesicht im Spiegel, auf die rotblonden Wimpern, die vor Nervosität bereits anfingen zu flattern und zu blinzeln. Aber sie konnte, sie würde das nicht durchgehen lassen.
      Dass sie wusste, wer die Ohrringe genommen hatte, machte die Sache eher noch schlimmer. Es bedeutete nämlich eine Konfrontation, etwas, das sie von ganzem Herzen verabscheute. Doch die einzige Alternative wäre, Lionel von der Sache zu erzählen, und das würde zu einem äußerst peinlichen Gespräch zu dritt führen. Sie würde sich bemühen, nicht anklagend zu wirken. Lionel würde vor Mitgefühl mit Carlotta zerfließen und versuchen, sie zu verstehen, ihre Handlung zu entschuldigen, und ihr schließlich vergeben. Carlotta würde vermutlich abstreiten, dass sie die Ohrringe genommen hatte. Und was sollten sie dann tun? Oder sie würde wieder ihren Trumpf mit der unglücklichen und entbehrungsreichen Kindheit ausspielen und heulend erklären, dass sie doch nichts Böses gewollt hätte. Sie hätte sie doch nur mal anprobieren wollen, da sie in ihrem armseligen und lieblosen jungen Leben noch nie etwas so Schönes und Kostbares besessen hätte.
      Ann war sich ziemlich sicher, dass Carlotta ab und zu Sachen von ihr trug. Ihr war ein leicht säuerlicher Geruch an ein oder zwei Blusen und Kleidern aufgefallen. Und es waren auch vorher schon Sachen verschwunden. Eine ziemlich teure Strumpfhose mit Rautenmuster. Ein Paar mit Fell gefütterte Handschuhe, die im Flur in der Manteltasche gewesen waren. Kleinere Beträge aus ihrem Portemonnaie. So ziemlich das, was sie von Lionels nimmer endender Schar verkrachter Existenzen zu erwarten gewohnt war.
      Ann hob den Kopf und starrte nach oben in Richtung von Carlottas Zimmer, aus dem erbarmungslos Rockmusik
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