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Inspector Barnaby 06 - Ein sicheres Versteck

Inspector Barnaby 06 - Ein sicheres Versteck

Titel: Inspector Barnaby 06 - Ein sicheres Versteck
Autoren: Caroline Graham
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gefragt, bevor sie ihre Freundin abholte. Man hatte ihr gesagt, sie müsse mit schlaflosen Nächten rechnen, und ihr erklärt, wie sie mit Albträumen und sogenanntem posttraumatischem Stress umgehen sollte. Aber zu ihrer ungeheuren Erleichterung konnte sich Ann überhaupt nicht an den Überfall erinnern - noch nicht mal an die Fahrt nach Causton. Das Letzte, woran sie sich erinnerte, war, dass sie an die Tür von Lionels Arbeitszimmer geklopft hatte, um ihm zu sagen, das Mittagessen sei fertig. Womit Louise allerdings nicht gerechnet hatte und was sie nur schwer verstehen konnte, waren Anns überwältigende Schuldgefühle.
      Ann war einfach nicht von der Überzeugung abzubringen, sie hätte die ganze Tragödie verhindern können, wenn sie die Willenskraft gehabt hätte, sich ihrem Mann gegenüber in bezug auf Terry Jackson durchzusetzen. Sie hatte von Anfang an gespürt, dass er etwas Gefährliches an sich hatte. Diese Angst hatte sie dazu veranlasst, dem Mann das Haus zu verbieten, aber sie hatte nicht den Mut gehabt zu verlangen, dass man ihn ganz fortschickte. Wenn sie doch nur ... So hatte Ann geweint und sich Vorwürfe gemacht, und Louise hatte sie getröstet und ihr versichert, dass sie keine Schuld träfe.
      Dieses jammervolle Szenario wiederholte sich Tag für Tag. Zunächst hörte Louise teilnahmsvoll zu, obwohl sie derartige Schuldbeteuerungen für unbegründet hielt. Dann kamen sie ihr allmählich neurotisch vor. Schließlich, da ihre endlosen Beschwichtigungen offenbar kaum Beachtung fanden, wurde sie wütend. Erst verbarg sie ihren Zorn, dann konnte sie ihn nicht mehr verbergen. Als sie ihn zeigte, wurde Ann noch verzweifelter. Dann wurde Ann wütend.
      Schließlich vertrauten sie sich unter Tränen und mit Hilfe von furchtbar viel Wein ihre tiefsten und geheimsten Ängste und Sehnsüchte an. Ann weinte über die in Einsamkeit verstrichenen Jahre und aus Trauer über das sterile Halbleben, das sie geführt hatte, Louise weinte über das Scheitern einer Ehe, von der sie geglaubt hatte, sie sei im Himmel geschlossen worden, um den Verlust des Bruders, so wie sie ihn gekannt hatte, und über das traurige, verwirrte Wesen, das seinen Platz eingenommen hatte. Für beide, sowohl für die nüchterne, abgeklärte und zynische Louise als auch für die unterdrückte, schüchterne und ängstliche Ann, war dieses Offenlegen von Gefühlen eine neue und ziemlich beunruhigende Erfahrung.
      Danach gingen sie reserviert, ja sogar ein bisschen kühl miteinander um. So vergingen einige Tage, doch die Erinnerung an die frühere Nähe war immer da, wie eine unterschwellige Wärme, und allmählich entwickelte sich wieder ein vertrauteres Verhältnis zwischen ihnen.
      Sie sprachen auch über Geld. Keine von beiden musste sich ernsthaft Sorgen machen, allerdings würde Louise bei weitem besser gestellt sein. Goshawk Freres hatte sich schließlich über die Höhe ihrer Abfindung geeinigt. Obwohl sich diese durch die Prozesskosten um einiges verringerte, war sie immer noch ganz ansehnlich. Ihr Anteil an dem Haus in Holland Park, das mittlerweile verkauft worden war, betrug über zweihunderttausend Pfund. Außerdem würde sie so bald wie möglich wieder arbeiten.
      Ann wusste nicht, ob sie überhaupt jemals arbeiten würde. Das starke Verlangen nach einem neuen Leben, die Tagträume, die ihr so aufregend und realistisch erschienen waren, als sie im Sonnenschein nach Causton gefahren war und »Penny Lane« gesungen hatte, waren durch den Schlag auf den Kopf aus ihrer Erinnerung gelöscht worden. Doch die bissigen Bemerkungen ihres Mannes hatte sie nicht vergessen. Ob sie denn nicht wüsste, dass die Leute heutzutage mit vierzig pensioniert würden? Da sie sich nie dem wirklichen Leben hatte stellen müssen, wie sie da erwarten könne, jemals eine richtige Arbeit zu bekommen?
      Louise wurde wütend, als sie das hörte. Ann war gerade mal in mittlerem Alter, sehr intelligent und hübsch anzusehen (das heißt, das würde sie sein, nachdem Louise sie ein wenig umgemodelt hatte), und sie könnte tun, was auch immer sie wollte. Kein Grund zur Sorge. Ann lächelte und sagte, sie müsse halt abwarten, wie sich die Dinge entwickelten.
      Das alte Pfarrhaus, so hatte der Immobilienmakler versprochen, würde einen sehr guten Preis erzielen, besonders da es eine sogenannte »Einliegerwohnung« hatte. Der Ertrag aus ihrem Treuhandvermögen würde nun, da er nur noch eine Person anstatt zwei Erwachsene plus einen
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