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Inspector Alan Banks 12 Wenn die Dunkelheit fällt

Titel: Inspector Alan Banks 12 Wenn die Dunkelheit fällt
Autoren: Peter Robinson
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stieß die Flasche um. Sie zersprang auf den Fliesen, der wertvolle Inhalt lief aus.
      Scheiße!
      Das bedeutete, sie musste vor die Tür und Nachschub holen. Janet nahm den Vorleger hoch und schüttelte ihn kräftig, damit die Splitter herausfielen. Dann stieg sie aus der Wanne. Als sie auf den Vorleger trat, verlor sie das Gleichgewicht und rutschte aus. Es gelang ihr, den Sturz mit dem rechten Fuß abzufangen. Dabei schnitt ihr eine Glasscherbe in die Fußsohle. Vor Schmerz zuckte sie zusammen. Eine dünne Blutspur auf den Fliesen hinter sich herziehend, humpelte sie ohne weitere Verletzungen ins Wohnzimmer. Dort setzte sie sich und zog zwei große Splitter aus dem Fuß, dann schlüpfte sie in ihre alten Pantoffeln und holte Wasserstoffperoxidlösung und einen Verband aus dem Bad. Sie setzte sich auf die Toilette und goss sich, so gut sie konnte, das Desinfektionsmittel über die Fußsohle. Vor Schmerz hätte sie fast laut geschrien, aber dann ließ er nach. Ihr Fuß pochte nur noch. Schließlich wurde er taub. Sie verband ihn, ging ins Schlafzimmer und zog saubere Sachen und extradicke Socken an.
      Sie musste raus aus der Wohnung, entschied sie, und zwar nicht nur für den kurzen Weg zur Spirituosenhandlung. Eine schöne Fahrt im Auto würde sie wach halten; offenes Fenster, Wind im Haar, Rockmusik und Witze im Radio. Vielleicht konnte sie bei Annie Cabbot vorbeischauen, der einzigen anständigen Kollegin. Oder sie konnte raus aufs Land fahren und zwei, drei Tage in einem B & B bleiben, wo niemand wusste, wer sie war und was sie getan hatte. Irgendwas, nur raus aus diesem dreckigen, stinkenden Loch. Sie konnte unterwegs eine neue Flasche kaufen. Wenigstens war sie jetzt sauber. Kein eingebildeter Kassierer konnte über sie die Nase rümpfen.
      Kurz zögerte Janet, ehe sie zum Autoschlüssel griff, dann steckte sie ihn ein. Was wollten sie ihr schon anhaben? Es noch schlimmer machen und sie wegen Alkohol am Steuer vor Gericht stellen? Scheiß auf die Truppe, dachte Janet und humpelte, in sich hineinlachend, die Treppe hinunter.
     
    Drei Tage nachdem Lucy Payne aus Maggie Forrests Schlafzimmerfenster gesprungen war, saß Banks abends in seinem gemütlichen Wohnzimmer mit der pastellgelb gestrichenen Decke und den blauen Wänden und hörte sich Thais an. Seit er Maggie Forrest am Donnerstag im Krankenhaus besucht hatte, war es die erste Pause von der Schreibtischarbeit, die er sich gönnte. Er genoss sie ganz ungemein. Noch immer war er zu keinem Schluss gekommen, was er zukünftig machen wollte. Daher hatte er sich überlegt, zuerst einmal Urlaub zu nehmen und sich alles durch den Kopf gehen zu lassen, bevor er eine so wichtige berufliche Entscheidung traf. Er hatte noch viele Urlaubstage übrig und schon mit dem Roten Ron gesprochen und sich Kataloge besorgt. Jetzt musste er sich nur noch für ein Reiseziel entscheiden.
      In den vergangenen Tagen hatte er ziemlich viel Zeit damit verbracht, an seinem Bürofenster zu stehen, auf den Marktplatz hinunterzuschauen und über Maggie Forrest nachzudenken. Er hatte über ihre Einstellung und ihr Mitleid nachgedacht. Selbst jetzt, zu Hause, beschäftigte sie ihn. Lucy Payne hatte Maggie ans Bett gefesselt und sie gerade mit einem Gürtel erwürgen wollen, als die Polizei hereinkam. Dennoch sah Maggie in Lucy ein Opfer und konnte Tränen um sie vergießen. War sie eine Heilige oder eine Närrin? Banks wusste es nicht.
      Wenn er an die Mädchen dachte, die von Lucy und Terry Payne geschändet, gefoltert und ermordet worden waren - Kelly Matthews, Samantha Foster, Melissa Horrocks, Kimberley Myers und Katya Pavelic - dann war Querschnittlähmung nicht genug. Sie tat nicht weh genug. Aber wenn er an die misshandelte, gequälte Lucy in Alderthorpe dachte, dann fand er, ein schneller, sauberer Tod oder ein Leben in Einzelhaft sei eine ganz angemessene Bestrafung.
      Wie immer machte seine Meinung keinen großen Unterschied, denn die Angelegenheit lag nicht mehr in seinen Händen. Es war nicht an ihm, zu urteilen. Vielleicht durfte er nur mehr hoffen, dass er Lucy Payne eines Tages aus seinem Kopf verbannen konnte. Irgendwann würde ihm das gelingen. Wenn auch nicht vollständig. Sie würde immer da sein - alle waren da, Täter wie Opfer -, aber mit der Zeit würde sie verblassen und ihre Konturen verlieren.
      Banks hatte das sechste Opfer nicht vergessen. Die Frau hatte einen Namen, und wenn ihre Kindheit nicht wie die von Lucy Payne gewesen war, dann
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