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Inshallah - Worte im Sand - Roman

Inshallah - Worte im Sand - Roman

Titel: Inshallah - Worte im Sand - Roman
Autoren: Aufbau
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für dich zu finden, zumal mit deinem Mund. Die Leute könnten dich irgendwann für eine alte Jungfer halten.« Die Frau meines Vaters reichte mir einen zerknitterten afghanischen Geldschein. »Bring das Wechselgeld mit. Vergiss nicht, dass man Dieben die Hände abhackt.«
    »Ja, Mada.« Nach all den Jahren tat es immer noch weh, die zweite Frau meines Vaters mit ›Mutter‹ anzureden. Das lag vor allem daran, dass sie so gemein zu mir war. Ich hatte noch nie etwas gestohlen, und in den Läden sagte ich nur das Nötigste. Aber das zählte nicht. Malehkah war immer schlecht auf mich zu sprechen, egal was ich tat. Ich musste trotzdem versuchen, sie zufriedenzustellen, damit im Haus meines Vaters Friede herrschte.
    Als ich draußen auf der Veranda stand, lehnte ich die dünne Metalltür hinter mir gerade so weit an, dass sie keinen Lärm machte. Ein Scharnier war kaputt. Wenn man die Tür ganz schloss, verhakte es sich und knarrte laut. Dann lehnte ich mich gegen das von der Sonne angewärmte Metall und seufzte tief.
    Als Mada, meine richtige Mutter, noch lebte, war es einfacher mit Malehkah gewesen. Aber vielleicht kam mir im Rückblick sowieso alles besser vor. Mada-jan hatte Malehkah geholfen, sich an unser Leben anzupassen. Meine Mutter hatte ihre eigenen Wünsche immer hinter die Bedürfnisse der Familie zurückgestellt. Inzwischen fragte ich mich, warum Mada so nett zu Malehkah gewesen war. Ich dachte daran, was sie zu mir gesagt hatte,wenn ich wütend gewesen war: »Jeder Sieg entspringt der Geduld; sie ist das Zeichen für Gottes Huld.«
    Auf dem Weg über den Hof versuchte ich, mich allem zu öffnen, was mich umgab. Ich spürte den glatten, weichen Sand zwischen meinen Zehen, lauschte der Brise, die in unserer Dattelpalme raschelte. Ich betrachtete den Anstrich der doppelten, sorgfältig gearbeiteten Metalltür – das tiefe Rot, das Grün, das Blau. Ich spürte die Wärme der dicken Lehmziegelmauer, die uns vor der Außenwelt beschützte, saugte ihren muffigen Geruch in mich auf. Mada-jan hätte mich ermahnt, geduldig zu sein, alles Hässliche zu vergessen und mich auf das Schöne zu konzentrieren.
    Ich drehte mich zu unserem Haus um, das in der Mitte des Hofs stand, ein zweistöckiger Lehmziegelbau mit fünf Zimmern, den Baba in einem hübschen Blau gestrichen hatte. Es war sicher nicht das schönste Haus in An Daral, aber ich liebte es.
    »Zulaikha!« Malehkah trat auf die Veranda.
    »Bale!« Ich eilte zur Außenmauer und entriegelte die kleine Tür, wobei ich darauf achtete, mir die Hände nicht an den spitzen Metallteilen zu schneiden, die wie Zähne aus den Schweißnähten des Schlosses ragten. Dann trat ich auf die Straße. In die Öffentlichkeit.
    In den Wagenspuren auf der holperigen Straße war noch die Kühle der Nacht zu spüren, aber schon überwanden die ersten Sonnenstrahlen die Berggipfel und fielen durch das Astwerk der Bäume. Ich wischte mir über die Stirn. Wenn es morgens schon so warm war, wäre die Hitze gegen Mittag erstickend, und die Männer würden in die Cafés fliehen, wo sie Zam-Zam, die Limonade aus demIran, tranken und zusahen, wie das Thermometer weit über vierzig Grad stieg.
    Ich ging am Straßenrand. Wegen des üblen Geruchs der Abwässer, die aus Löchern in den Grundstücksmauern tröpfelten, rümpfte ich die Nase. Aber ein bisschen Gestank war besser, als für alle sichtbar mitten auf der Straße zu laufen.
    Frauen, die in Tücher gewickeltes Naan trugen und leise unter ihren Tschadris plauderten, kamen mir auf der Straße entgegen. Malehkah hatte Baba-jan endlich davon überzeugt, dass Zeynab nicht mehr unverhüllt nach draußen gehen durfte, weil sie inzwischen zu groß und zu hübsch war. Als ich auch um einen Tschadri gebeten hatte, hatte Baba-jan meine Schulter gedrückt und mit leisem Lachen erwidert, ich sei noch zu jung. Aber ich war kein kleines Kind mehr wie mein Bruder Khalid. Ich war dreizehn.
    Mein Vater, der sich freute, dass seine Tochter erwachsen wurde, hatte lächelnd zugesehen, wie Zeynab sich in ihren neuen, himmelblauen Tschadri gehüllt hatte. Wenn er mich doch auch einmal so anlächeln würde!
    Kurz vor der Tür, die auf das Grundstück einer Familie des Abdullah-Clans führte, ging ich schneller und wechselte auf die andere Straßenseite. Dann lief ich so leise wie möglich zwischen den hohen Mauern zum Fluss. An der günstigsten Stelle war er im Sommer nur knöcheltief, und als ich hineinwatete, genoss ich das kühle Wasser und den Sand unter
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