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Inseln im Netz

Titel: Inseln im Netz
Autoren: Bruce Sterling
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als Belohnung für gesteigerte Produktivität bekommen. Sie waren sonnenverbrannt und fröhlich.
    Ein weiteres Gästepaar kam herein: Herr und Frau Kurosawa aus Brasilien. Sie waren schon in der vierten Generation Brasilianer und arbeiteten bei Rizome-Unitika, einem Tochterunternehmen in der Textilbranche. Sie sprachen kein Englisch, und ihr Japanisch war erstaunlich schlecht, beladen mit portugiesischen Lehnwörtern und viel südländischem Gefuchtel. Sie machten Laura Komplimente wegen der schmackhaften Kost. Auch für sie war es der letzte Urlaubstag.
    Dann wurde es schwierig. Die Europäer waren aufgestanden. Sie waren zu dritt und keine Rizome-Leute, sondern Bankiers aus Luxemburg. Morgen sollte eine wichtige Konferenz von Bankleuten stattfinden. Die Europäer waren einen Tag früher gekommen. Laura bedauerte es.
    Die Luxemburger setzten sich verdrießlich an den Frühstückstisch. Ihr Leiter und Chefunterhändler war ein Monsieur Karageorgiu, ein Mann mittleren Alters, mit olivfarbener Haut, dunklen Augen und sorgfältig gewelltem Haar. Der Name kennzeichnete ihn als einen Griechen; seine Großeltern waren vermutlich Gastarbeiter in Deutschland oder in Benelux-Ländern gewesen. Karageorgiu trug einen vorzüglich geschneiderten Anzug aus beigefarbenem italienischem Leinen.
    Seine äußerst eleganten Schuhe waren Kunstwerke, fand Laura. Mit höchster Präzision gefertigte Schuhe, vergleichbar dem Getriebe eines Mercedes. Es tat beinahe weh, ihn darin gehen zu sehen. Bei Rizome hätte niemand gewagt, solche Schuhe zu tragen; der Spott wäre erbarmungslos gewesen. Der Mann erinnerte Laura an die Diplomaten, die sie in ihrer Kindheit bisweilen gesehen hatte, Männer mit einem längst verlorengegangenen Standard wohlüberlegter Eleganz.
    Er hatte ein paar mürrisch blickende Begleiter in schwarzen Anzügen: Fachleute der Informatik und Datenverarbeitung, wie er behauptete. Es war schwierig, ihre Herkunft zu erraten; einer wirkte irgendwie mediterran, war vielleicht Südfranzose oder Korse, während der andere blond war. Sie sahen beunruhigend sportlich und muskulös aus. Aus ihren Manschetten lugten teure Schweizer Uhrtelefone.
    Auf Lauras Frage nach ihrem Befinden hin begannen sie sich zu beklagen. Die Hitze sei kaum zu ertragen. Ihre Zimmer hätten einen unangenehmen Geruch, und das Wasser schmecke salzig. Sie fanden die Toiletten eigenartig. Laura versprach, die Wärmepumpe aufzudrehen und mehr Perrier zu bestellen.
    Es half nicht viel. Sie fühlten sich in die hinterste Provinz verschlagen und hatten etwas gegen doktrinäre Yankees, die in sonderbaren Sandburgen lebten und wirtschaftliche Demokratie praktizierten. Laura ahnte, daß der morgige Tag stürmisch verlaufen würde.
    Tatsächlich war das ganze Arrangement verdächtig. Sie wußte nicht genug über diese Leute - sie hatte keine richtigen Gästeinformationen über sie. Rizome-Atlanta war sehr schweigsam über diese Bankenkonferenz, was für die Zentrale sehr ungewöhnlich war.
    Laura nahm ihre Frühstücksbestellungen entgegen und verließ die drei Bankleute; sie tauschten finstere Blicke mit den Rizome-Gästen. Sie nahm das Baby mit sich in die Küche. Das Küchenpersonal war am Werk und klapperte mit Pfannen und Töpfen. Das Küchenpersonal bestand aus der siebzigjährigen Mrs. Delrosario und ihren zwei Enkelinnen.
    Mrs. Delrosario war ein Schatz, obwohl sie eine bösartige Ader hatte, die jedesmal die Oberhand gewann, wenn ihr Rat mit weniger als völliger Aufmerksamkeit und Ernsthaftigkeit aufgenommen wurde. Ihre Enkelinnen schlurften mit unterwürfigem Ausdruck wie Verurteilte in der Küche herum. Laura bedauerte sie und versuchte ihnen Erleichterung zu verschaffen, wenn sie konnte. Nicht für alle jungen Leute war das Leben heutzutage leicht.
    Laura fütterte den Säugling aus der Flasche. Loretta schluckte begeistert die Zubereitung. Darin war sie wie ihr Vater - ganz versessen auf klebriges, sirupartiges Zeug, das kein vernünftiger Mensch essen mochte.
    Dann piepte Lauras Uhrtelefon. Es war der Empfangsschalter. Laura ließ das Baby in Mrs. Delrosarios Obhut und ging hinten herum zur Eingangshalle, durch die Personalräume und das Büro. Sie kam hinter dem Schalter heraus.
    Mrs. Rodriguez sah erleichtert über ihre Bifokalgläser zu ihr auf.
    Sie hatte mit einer Fremden gesprochen - einer ungefähr fünfzigjährigen Frau in einem schwarzen Seidenkleid mit Stehkragen und einer Perlenkette. Die Frau hatte eine gewaltige Mähne spröden schwarzen
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