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Insel des Sturms

Insel des Sturms

Titel: Insel des Sturms
Autoren: Roberts Nora
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Tür des Wagens und machte sich ans Aussteigen.
    Plötzlich nahm sie hinter einem Fenster in der oberen Etage eine beinahe unmerkliche Bewegung wahr. Das leichte Flattern eines Vorhangs, das sie innehalten ließ. Eine Frau in einem weißen Kleid und mit dichtem, goldfarbenem Haar, das wogend über ihre Schultern und ihren Oberkörper fiel. Als sie durch den grauen Schleier zum Wagen herblickte, strahlte sie große Schönheit, doch auch abgrundtiefe Trauer aus.
    Dann war die Erscheinung verschwunden, und nur noch der Regen beherrschte die Szene.

    Jude fing an zu zittern. Die kalte Nässe und der Wind schnitten ihr eisig ins Gesicht, also opferte sie auch den Rest ihrer Würde, rannte in Richtung des weißen Gartentores, durch das man den winzigen, doch auf Grund der sich zu beiden Seiten des schmalen Weges befindlichen Blumenpracht einladenden Vorgarten betrat.
    Es gab keine Veranda, nur eine schmale Treppe, die indessen durch die ein wenig überhängende obere Etage des Cottages Schutz vor dem schlimmsten Regen bot. Jude hob einen Messingklopfer in Form eines keltischen Knotens und schlug damit an die massive, raue, doch zugleich behäbige Bogentür.
    Während sie bebend versuchte, an etwas anderes zu denken als an den Druck ihrer Blase, betrachtete sie das Cottage genauer – das reinste Puppenhaus! Die Fenster mit den vielen kleinen Scheiben hatten duftig weiße, mit grünen Rändern gesäumte Vorhänge und Holzläden, die gleichermaßen funktional wie dekorativ wirkten. Das strohgedeckte Dach erschien ihr wie ein hübsches Wunder, und ein aus drei Glockenreihen bestehendes Windspiel sang eine kleine Melodie.
    Ein wenig energischer klopfte sie noch mal. Verdammt, ich weiß, dass jemand da ist, dachte sie erbost, warf jedes Benehmen über Bord, trat in den Regen hinaus und spähte durch ein Fenster ins Haus.
    Dann wich sie schuldbewusst beiseite, als hinter ihr deutliches Hupen laut wurde.
    Ein rostiger roter Pick-up, dessen Motor schnurrte wie eine zufriedene Katze, bog hinter ihrem Wagen in die Einfahrt. Jude schob sich die nassen Haare aus der Stirn und legte sich, als der Fahrer ausstieg, fieberhaft eine Erklärung für ihre Anwesenheit zurecht.
    Zuerst dachte sie, bei dem Fahrer mit den verkratzten, schlammverkrusteten Stiefeln, der schmutzigen Jacke und der abgetragenen Arbeitshose handele es sich um einen kleingewachsenen,
schmalbrüstigen Mann. Doch das Gesicht, das sie unter einer schmutzig braunen Kappe hinweg anstrahlte, gehörte ganz eindeutig einer Frau.
    Und zwar einer zauberhaften Person.
    Ihre Augen waren so grün wie die nassen Hügel der Umgebung, ihre Haut schimmerte wie seidiges Perlmutt und Strähnen leuchtend roter Haare schoben sich unter dem Mützenrand hervor, als die Frau trotz der Stiefel geschmeidig den Weg herauf gestapft kam.
    »Sie müssen Miss Murray sein. Gutes Timing, finden Sie nicht?«
    »Ach ja?«
    »Nun, ich bin heute ein bisschen später dran als sonst, weil Mrs. Duffys Enkel Tommy mal wieder die Hälfte seiner Bauklötze ins Klo geworfen, abgezogen und dadurch eine Risensauerei veranstaltet hat.«
    »Hmmm«, war alles, was Jude zur Antwort einfiel, während sie sich fragte, weshalb sie hier im Regen stand und sich mit einer völlig Fremden über verstopfte Toiletten unterhielt.
    »Können Sie Ihren Schlüssel nicht finden?«
    »Meinen Schlüssel?«
    »Für die Haustür. Tja, ich habe meinen dabei, also befördern wir Sie am besten erst einmal raus aus dieser Nässe und hinein ins Warme!«
    Das klang wie eine herrliche Idee. »Danke«, sagte Jude, während sie der Frau zum Eingang folgte. »Aber wer sind Sie?«
    »Oh, bitte entschuldigen Sie, ich bin Brenna O’Toole.« Brenna streckte einen ihrer Arme aus und schüttelte Jude kraftvoll die Hand. »Ihre Oma hat Ihnen doch sicherlich erzählt, dass ich das Cottage für Sie hergerichtet habe.«
    »Meine O – das Cottage? Das hier ist mein Cottage?«
    »Allerdings! Naja – falls Sie Jude Murray aus Chicago
sind.« Brenna lächelte freundlich, obgleich ihre linke Braue fragend hochgeschossen war. »Ich wette, nach der langen Reise fühlen Sie sich vollkommen geschafft.«
    »Richtig!« Während Brenna die Tür öffnete, fuhr sich Jude mit den Händen durchs Gesicht. »Und außerdem dachte ich, ich hätte mich verfahren.«
    »Scheint eher so, als hätten Sie Ihr Ziel erreicht. Ceade mile failte. « Sie trat einen Schritt zurück und ließ Jude den Vortritt.
    Tausendmal willkommen! So viel Gälisch hatte Jude von ihrer
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