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Insel der schwarzen Perlen

Insel der schwarzen Perlen

Titel: Insel der schwarzen Perlen
Autoren: Noemi Jordan
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Vorräte zu erwerben. War das Versteck nicht allzu weit, konnte sie als Kahuna, als Heilerin des Dorfes, immer sagen, sie musste zum Pflanzensammeln. Doch tatsächlich verwendete sie auch einige westliche Mittel, wie zum Beispiel scharfe Skalpelle, und die kosteten eben mehr als ein Huhn.
    Der schiefe Apfelbaum oberhalb der Steilklippen war das ideale Versteck. Immer mal wieder nahm Elisa den Weg zu dem verlassenen Hain aus Apfelbäumen auf sich, um an ihren Vater zu denken. Er hatte sich vor seinem Tod gewünscht, auf Kauai eine neue Apfelsorte zu züchten. Doch die Bäume aus Deutschland hatten es in dem tropischen Klima schwer. Von ihrem Freund Johannes wusste Elisa, dass ihr Onkel und der Gouverneur die Hoffnung auf eine neue Apfelsorte aufgegeben hatten. Es war aussichtslos, denn Apfelbäume liebten Frost und brauchten einen halbwegs kalten Winter. Doch wirklich kalt wurde es auf Kauai nie, und die Bäume trugen schon seit Jahren keine Früchte.
    Als Elisa an diesem Morgen die schwarzen Perlen, eingeschlagen in ein Tuch, an den Wurzeln des Baumes aus ihrer Heimat vergrub, sah sie das Gesicht ihres Vaters vor sich. Acht Jahre war es her, seit er in Hamburg gestorben war, immer noch vermisste sie ihn. Ihr Leben wäre sicherlich anders verlaufen, wenn er sie beschützt hätte. Ihre Mutter war dazu zu schwach gewesen. In dem Perlengeschenk sah Elisa daher auch eine Art Wiedergutmachung für ihr verlorenes Erbe.
    Unter dem Apfelbaum hatte Elisa ein Gebet gesprochen und um Familienfrieden gebeten. Sie wünschte sich Versöhnung. Doch sie wusste, wie sehr sie ihre Familie vor den Kopf gestoßen hatte, als sie sich zu Kelii bekannte. Der Preis ihrer Liebe war hoch. Sie war enterbt worden. Das wertvolle Stück Land an den Steilklippen der Na-Pali-Küste hätte Elisa gehören sollen. Ihr Vater hatte ihr den Hain mit Apfelbäumen explizit in seinem Testament vermacht. Doch ihre Familie hatte sie für tot erklären lassen. Und jetzt gehörte das Grundstück bereits seit Jahren Elisas fünfjähriger Tochter Victoria, beziehungsweise dem Gouverneur von Kauai. Victoria war die Frucht einer Vergewaltigung, die Elisa schwer traumatisiert hatte. Das Kind hatte man ihr kurz nach der Geburt genommen. Doch all das lag Jahre hinter ihr. Sie hatte ein neues Leben begonnen.
    Elisa atmete tief durch und genoss die milde Luft. Endlich kam die warme Brise nach Kauai. Die lauen Winde waren dieses Jahr spät dran. Begleitet von heftigen Stürmen hatte es diesen Winter viel geregnet, bisweilen mehrere Tage ununterbrochen und in so dicken Tropfen, dass das Spielen auf dem Dorfplatz unmöglich geworden war. Triefend und schlecht gelaunt saßen die Kinder in den Hütten. Einer ihrer Schützlinge, die kleine Ulani, hatte Fieber und einen hartnäckigen Dauerhusten. Doch mit dem wärmeren Frühlingswetter würde auch Ulani bald wieder auf den Beinen sein, da war sie sich sicher.
    Zufrieden strich sie sich über ihren Bauch. Sie war noch jung, knapp sechsundzwanzig, ihr Leben lag vor ihr, so wollte sie es sehen, und freute sich auf weiteren Nachwuchs. Nach fünf Jahren ihres Zusammenlebens mit Kelii war sie sicher, ihr ganzes Leben mit ihm verbringen zu wollen. Sie liebte ihn aus ganzem Herzen. Ihr Leben mit den Hawaiianern bedeutete aber auch, dass sie ihre deutsche Verwandtschaft auf Kauai verlor. Sein Dorf in den Bergen war ihr Zuhause.
    Manchmal schmerzte immer noch das Verhalten ihrer Mutter, bisweilen sogar körperlich. Ihr Herz tat weh, wenn sie an Clementia dachte. Wie konnte ihre Mutter nur so kalt und grausam sein? Inzwischen war Elisa Adoptivmutter des kleinen Eli, und schon bald würde sie Keliis Kind auf die Welt bringen, und sie konnte sich nicht vorstellen, jemals eines ihrer Kinder zu verstoßen oder sogar für tot erklären zu lassen.
    Es war gut, dass Elisa allein gegangen war, um die Perlen zu verstecken. Um im Dorf keinen Verdacht zu erregen, hatte sie Wäsche mitgenommen und angekündigt, sie würde nach dem Waschen noch Heilpflanzen suchen gehen. Praktisch den ganzen Tag war sie jetzt unterwegs gewesen, hatte viele Kilometer zurückgelegt und atmete schwer. Während sie die beiden Körbe kurz absetzte und sich gegen einen Felsen lehnte, ließ sie die Landschaft auf sich wirken. Unbeschreiblich schön war die Natur nach dem heftigen Frühlingsregen. Um später zumindest eine Skizze anzufertigen, versuchte sie sich das
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