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Insel der schwarzen Perlen

Insel der schwarzen Perlen

Titel: Insel der schwarzen Perlen
Autoren: Noemi Jordan
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sondern auch die Zugehörigkeit zu seinem Volk. Mit jedem Tag, an dem sie in seinem Dorf als ausgebildete Kahuna Heilkunst praktizierte und helfen konnte, wurde sie von der Dorfgemeinschaft mehr akzeptiert. Ihr neues Leben war auf einem guten Weg.
    Doch wenn Elisa in sich hineinhorchte, wie an diesem Tag, an dem sie die schwarzen Perlen vergraben hatte, meinte sie die Liebe ihrer Mutter wie einen stummen Hilferuf in sich zu spüren. Ihre Mutter musste ihr Bestes wollen, warum sonst hätte Clementia ihr spontan dieses wertvolle Collier gegeben? Es war immerhin ihr Hochzeitsgeschenk und von großem Wert. Wie eine warme Schutzhülle, gewachsen in fröhlichen Kinderjahren in ihrem Hamburger Garten, fühlte Elisa die verzweifelte Sehnsucht ihrer Mutter und hoffte, ihre Liebe würde eines Tages stärker sein als ihr Schamgefühl.
    Einige Momente lang holte Elisa noch Atem, bevor sie ihren Weg vorsichtig fortsetzte. Durch die heftigen Regengüsse war der versteckte Weg zum Dorf, den sie benützte, heute besonders rutschig. Ihre Schritte musste sie wegen ihres schweren Bauches behutsam setzen. Weiter oben hörte sie Kinderstimmen. Eli und seine Freunde, die Elisa seit dem Wasserfall begleitet hatten, warteten eine Wegbiegung weiter oben, doch langsam wurde ihr Adoptivsohn ungeduldig.
    Â»Kommst du bald, Ma?«
    Elisa rief fröhlich zurück, es würde noch ein wenig dauern, da sie das Baby und die Wäsche den Berg hinauftrüge. Im Umgang mit Gebärenden waren die Hawaiianer ihres Dorfes angenehm unkompliziert. Schon die Kleinsten wussten, worum es dabei ging, und die größeren Kinder wurden sehr früh aufgeklärt.
    Â»Geht ruhig schon vor, Jungs, ich raste noch ein wenig … Es ist so ein schöner Nachmittag.«
    Doch Eli war jetzt schon ein sehr pflichtbewusster Junge. »Nein, Ma, wir warten hier auf dich und helfen dann mit den Körben, ich habe es Pa doch versprochen …«
    Elisa hörte, wie die Jungs über ihr fröhlich lachten und begannen, ihre Blasrohre aus Schilf zu basteln. Unten am Wasserfall hatte Eli mit den anderen Dorfkindern gespielt. Den ganzen Tag tobten und spielten sie, froh über einen Tag ohne Regen. Dann wurden Schilfrohre für Flöten und Blasrohre geschnitten. Eli kannte sich gut aus, war geschickt und mit seinen fünf Jahren auch bereits fürsorglich den beiden neuen Jungs gegenüber, die erst seit kurzer Zeit mit ihrer Schwester Ulani im Dorf lebten.
    Genüsslich ließ Elisa ihren Blick noch einmal über das Kunstwerk unter ihr schweifen. Atemberaubend war die Schönheit, die sie umgab, und sie überkam Dankbarkeit. Jetzt kannte sie drei Inseln dieses magischen Archipels, jede der Inseln anders, alle von beeindruckender landschaftlicher Schönheit, doch auf Kauai fühlte sie sich wirklich zu Hause. Hier dachte sie an die Erhabenheit göttlicher Schöpfung. Der biblische Paradiesgarten könnte so ausgesehen haben.
    Solche Gedanken hatte Elisa auch, wenn sie am Wasserfall ihre dörflichen Nachbarn beim Baden beobachtete. Ähnlich wie Adam und Eva trugen sie oft nicht mehr als ein Feigenblatt, in ihren knappen Lendenschurzen erinnerten sie an die Paradies-Gemälde der alten Meister. Hier fühlte sie sich Gott nah. Keine noch so imposante Kirche ihrer Geburtsstadt konnte derartig tiefe religiöse Gefühle in ihr hervorrufen. Was für ein Glück sie hatte, ausgerechnet hier leben zu dürfen, dachte sie, als sie eine weitere Wegbiegung hinter sich gebracht hatte.
    Sie war jetzt knapp fünfzig Höhenmeter weiter oben, unter ihr der größte der Hügel auf dieser Seite der Na-Pali-Küste. In wilden Zacken schnitt der vom Gipfel ausgehende Kamm unter ihr in die drei Haupttäler. Sternförmig verbreiterten sich die kleineren Einschnitte, auf einer Seite streckte sich das Meer vor ihr bis hin zum Horizont. An diesem Abend war es ruhig und fast so glatt wie Glas, vollgesogen mit dem süßen Regenwasser der letzten Tage. Am weiter draußen gelegenen Riff der Haie spielten kleine Wellen. Davor wechselten in der Bucht vor dem Sandstrand ein helles Türkis und ein tiefes Preußischblau in fast gleichmäßigen Streifen. An den Stellen, an denen der Sandboden von den dunkelgrünen Algen überwachsen war, funkelte das Abendlicht auf dem Wasser.
    Elisa seufzte. Das Meer war traumhaft ruhig. Hätte es in ihrem Zustand nicht einen wirklich beschwerlichen Ab- und
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