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Insel der schwarzen Perlen

Insel der schwarzen Perlen

Titel: Insel der schwarzen Perlen
Autoren: Noemi Jordan
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größte Freude war ihr alter Aquarellkasten mit den drei Pinseln aus feinstem Menschenhaar. Ihr Vater hatte die Pinsel aus Elisas eigenen Haaren anfertigen lassen, als sie acht Jahre alt war. Sie erinnerte sich noch genau, wie sie mit ihrem Vater in der Hamburger Küche saß, er ihr Haare für die Pinsel abschnitt und ihre Mutter zornig geworden war.
    Â»Warum hat sie denn geschimpft?«
    Hokulele und Emma wollten es ganz genau wissen, denn für sie war Clementia eine ferne Wunsch-Großmama, die zwar schwarze Perlen gebracht hatte, aber keine Tutu-Liebe.
    Â»Meine Mutter wollte nicht, dass ich mit meinen eigenen Haaren ein Bild male … das sei etwas für Heiden.«
    Einige Farben in dem Kasten waren zum Teil vertrocknet und rissig und gaben kaum mehr Pigment ab. Andere hatten sich über die Jahre gut gehalten. Nachdem sie den Kasten in dem Becken am Wasserfall gesäubert hatte, legte sie die Mappe mit dem Papier hin, die ebenfalls im Koffer war. Bei einigen Kinderbildern konnte sie die Rückseite benutzen, doch sie hatte noch über zwanzig leere Blätter, eine wahre Kostbarkeit.
    Elisa versuchte, in ihren alten Farben die Landschaft um das Dorf herum neu zu entdecken, und heute war ihr Motiv der Wasserfall. Als Kelii sie beim Malen sanft auf den Nacken küsste, war allein das schon ungewöhnlich. Küsse hatte es noch keine gegeben, nur Umarmungen. Ihm musste etwas Besonderes auf dem Herzen liegen. Noch erstaunter war sie, als sie von ihm zärtliche Worte hörte, wie sie sonst nur die jungen Männer im Dorf ihren Auserwählten zuflüsterten. Dann zog er sie mit sich an dem Wasservorhang vorbei ins Dunkle.
    Hinter dem Wasserfall, in der nassen Höhle, in der er vor vielen Jahren zum ersten Mal ihren Körper erforscht hatte, spürte sie zum ersten Mal wieder sein Begehren. Sie war zunächst unsicher, denn ihr Körper hatte sich verändert, sie war weicher und mütterlicher geworden und zeigte erste Spuren des Alters. Er lächelte nur, als sie zögerte, und übernahm die Führung. Sie liebten sich langsam und genüsslich, während der Wassernebel mit der untergehenden Sonne ein Farbenmeer in den Himmel malte. Danach waren sie glücklich wie ausgelassene Kinder, und als sie sich unter dem Wasserstrahl gegenseitig wuschen, verging das letzte bisschen Schmerz. Vor ihnen lag noch so viel Leben.
    Â»Würdest du in der Kirche von Lihue zu mir stehen, vor allen Menschen, die sehen wollen, wie ein kanaka einer haole sein Jawort gibt? Würdest du mich heiraten?«
    Er stellte ihr die Frage auf dem abendlichen Rückweg in ihr Dorf. Seine Augen waren tief und geheimnisvoll wie das nächtliche Meer. Ihr halbes Leben hatte Elisa auf diesen Moment gewartet, zwanzig lange Jahre. Sie küsste ihn, als gäbe es kein bedrohliches Morgen in ihrer zerrissenen Welt. Dann sagte sie Ja.

22. Kapitel
Frau im Mond, Juni 2011
    Auf der Lanai vor dem Schlafzimmer von Maja und Keanu war ein großes buntes Matratzenlager entstanden. Eine hawaiische Geburt, wie Maja sie hinter sich hatte, war kein Vergnügen, aber sie würde diese Stunden niemals vergessen. Der kleine Moana lag abgenabelt auf ihrem Bauch, alles war klebrig und feucht, und Maja fühlte sich wie ein weher Haufen Unordnung. Trotzdem war es eine Nacht voller Wunder. Um sie herum schien die Nachtluft in Schattierungen von Mitternachtsblau und Gold zu vibrieren.
    Â»Wo, Mai? Wo soll ich graben?«
    Nahe den Klippen, im warmen Sommergarten, leuchtete eine Taschenlampe, und in einiger Entfernung hörte man Mai und die Hebamme in Pidgin darüber diskutieren, unter welchem Baum die Nachgeburt vergraben werden musste. Prompt mischten sich Stefan und Leilani ein, sie waren ebenfalls im Garten. Stefan sagte den Frauen mit seinem unmöglichen deutschen Akzent, dass der Mutterkuchen unter dem roten Jasminbusch vergraben werden müsste, den Maja mit ihm neben der alten Bank gepflanzt hatte. Keanu rief von der Terrasse nach unten.
    Â»Genau, aber vergrabt sie bloß tief genug, damit Yellow nicht auf dumme Gedanken kommt.«
    Dann kam er zurück zu Maja auf die große Doppelliege. Dieses Ritual mit der Nachgeburt war ein wenig eklig, wie Maja fand, doch Keanu war anderer Meinung.
    Â»Nein, es ist natürlich … Hör mal zu. Ich übersetze …«
    Gemeinsam hörten sie den uralten heiligen Worten über das Vergraben der Nachgeburt zu. Der Brauch sollte verhindern, dass
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