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Ins dunkle Herz Afrikas

Ins dunkle Herz Afrikas

Titel: Ins dunkle Herz Afrikas
Autoren: Stephanie Gercke
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Salve aus der Maschinenpistole hatte ihm den Unterkiefer zertrümmert, und die Worte quollen als blutige Blasen unter seiner Nase hervor. Instinktiv streckte der Mann im olivgrünen T-Shirt ihm beide Hände entgegen, machte einen Schritt die Böschung hinab, als er aus dem Augenwinkel, keine zehn Meter entfernt, Schlamm aufspritzen sah. Er hielt inne, wandte den Kopf.
    Eine feine, pfeilförmige Welle teilte die lehmgelbe Wasseroberfläche. Das Krokodil hob seine lange Schnauze, sog den Blutgeruch ein und schwamm dann in gerader Linie auf den Mann im Wasser zu. Dieser schien die Gefahr zu spüren, strampelnd suchte er Halt im weichen Uferschlamm, ein Schwall von Blutblasen brach aus ihm
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    heraus, aber alles, was der andere hörte, war unverständliches Gurgeln.
    Mit einem grässlichen Schmatzen klappte das Krokodil sein zähnestarrendes Maul auf, erwischte das rechte Bein des Wildhüters, riss es mit einem mächtigen Ruck seines Saurierkopfes ab und warf es hoch. Das Blut spritzte in weitem Bogen. Das Reptil fing das Bein im weit geöffneten Rachen auf und verschlang es mit wenigen Kaubewegungen. Der Fuß mit dem braunen Feldstiefel verschwand als Letztes. Der Verfolgte am Ufer hörte die Knochen krachen. Unter ihm schlug der Verletzte verzweifelt um sich, durchpflügte mit den Händen den nassen Sand nach Halt. Seiner entsetzlichen Verletzung war er sich offensichtlich nicht bewusst. Er erwischte eine Baumwurzel, zog sich hoch und hakte den Arm darüber. Blut pumpte aus seinem Beinstumpf, sprudelte hellrot über den ockerfarbenen Schlamm, wurde von dem trüben Flusswasser zu einem hellen Orange verdünnt. Aber allmählich nahm seine Haut die Farbe von Roggenteig an, Schock weitete seine Pupillen. Sein Arm geriet ins Rutschen. Der andere Mann zögerte.
    Lass ihn, der schafft's sowieso nicht, sieh zu, dass du davonkommst! Es ist deine einzige Chance! Die Hunde schienen ihre Fährte wieder aufgenommen zu haben, ihr Gebell war deutlich zu hören, noch gedämpft von dem dichten Busch, der das flache Tal bedeckte und um die Hügelkuppen wuchs, aber es schien näher zu kommen.
    Alarmiert sah der Flüchtling hinüber und dann unentschlossen auf den Schwerverletzten. Bloß weg hier, die bringen dich um, wenn sie dich finden.
    Wie willst du beweisen, dass du ihn nicht angeschossen hast?
    Adrenalin schoss ihm durch die Adern, weckte den Fluchtinstinkt. Mit einem Satz sprang er auf den Weg hinauf, rannte zehn, zwanzig Meter, doch der Blick des verletzten Wildhüters schien sich schmerzhaft in seinen Rücken zu bohren.
    Noch ein paar Meter rannte er, dann blieb er stehen. Nach einem kurzen inneren Kampf siegten Jahrhunderte von Zivilisation in ihm, und er zwang sich zurück zum Ufer.
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    Als er sich zu dem Verletzten hinunterbeugen wollte, nun bereit, sein eigenes Leben zu riskieren, um den Mann zu retten, der ihn seinen Häschern ausliefern wollte, war dieser verschwunden. Einfach weg. Wäre da nicht das in dem jetzt einsetzenden heftigen Regen rasch versickernde Blut gewesen, der Mann am Ufer hätte an eine Illusion glauben können.
    Ein Hund jaulte auf, Männerstimmen brüllten Unverständliches. Der Mann fuhr zusammen.
    Er erinnerte sich an das Krachen der Knochen, als das Reptil das Bein des Wildhüters zermalmte. Für einen flüchtigen Moment hoffte er inständig, dass das Krokodil den Rest seiner Beute gefunden hatte. Es würde nicht genug von der Leiche übrig lassen, als dass man die Identität und Todesursache feststellen könnte! Ein letztes Mal strich sein Blick über die vom Regen zerhämmerte Flussoberfläche, dann hetzte er über das aufgeweichte Ufer davon und verlor sich bald in der dampfenden Regenwelt.
    Er lief durch Regen und tanzende Nebelschwaden, durch hohes Gras und Sumpf, durchquerte schmale, liliengesäumte Wasserarme und das Wurzelgewirr der Mangroven. Moskitos tranken sein Blut, Egel saugten sich an seinen Waden fest, und Fliegen legten Eier in die Halswunde, aus denen später Maden hervorkriechen würden. Es kümmerte ihn nicht. Er sah nur ihre Augen vor sich und hörte ihr Lachen und lief ihr entgegen.
    Er lief den Rest des Tages, die Nacht und den nächsten Tag hindurch, immer nach Norden, entlang dem Pongolafluss. Seine Sinne schärften sich. Tagsüber orientierte er sich am Sonnenstand, nachts leuchtete ihm der Mond. In der zweiten Nacht begleitete ihn der dumpfe Rhythmus von Trommeln einen Teil des Weges, unheimlich, beängstigend, und er erinnerte sich, dass die Tsonga hier am Fuß der
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