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Ins dunkle Herz Afrikas

Ins dunkle Herz Afrikas

Titel: Ins dunkle Herz Afrikas
Autoren: Stephanie Gercke
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seinen Arm wie zum Schutz um ihre Taille legte, sie keiner bemerkt hatte. »Nein, natürlich nicht.« Ihre Stimme verriet nichts von dem Tumult in ihrem Inneren. Angst vor Afrika?
    Doch Neil beobachtete sie aufmerksam, seine wasserhellen Augen ließen sie nicht los. Langsam streckte er seine Hand über den Tisch und berührte ihre, die zur Faust geballt neben ihrem Teller lag. Er bog ihre Finger auseinander, strich behutsam über ihre Handfläche. Seine Worte dann zeigten ihr, wie gut er sie wirklich kannte. »Warum seid ihr beiden zweimal aus diesem Land geflohen, habt alles hier aufgegeben? Warum hast du Mary geholfen, warum hat lan sich für seine farbigen Arbeiter mit jedem angelegt und sich und euch gefährdet?«
    Die Gesichter um den Tisch waren ihr zugewandt. Ihre Stimme war ein Seufzer wie der sanfte Wind in den Palmen über ihr. »Wir konnten nicht anders, es ging nicht«, flüsterte sie und verstand jetzt, was er meinte.
    »Seht ihr, genau so haben Vilikazi und Sarah gehandelt. Sie konnten nicht anders. Ihr gehört doch zu uns, sie hätten keinem Außenstehenden diese Seite von sich gezeigt.« »Yebo!«, grinste Vincent zustimmend. »Abangane!« Stille zitterte in der Luft. Freunde, hatte er gesagt. Sie vernahm die Worte, auf die sie so lange hatte warten müssen, schmeckte sie, atmete ihren Duft, ließ sich von der Wärme durchströmen. Weit unter ihnen segelte der Kranich, sie flog mit ihm,
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    schwebte im Aufwind der Tageswärme, ließ sich hinaustragen in die blaue Unendlichkeit. Du gehörst zu uns, du bist eine von uns! Mein Ziel. Das Paradies.
    Ihr Herz, ihr unbelehrbares, unbezähmbares Herz tat einen Sprung. Es wurde spät, ehe die Freunde auseinander gingen. Olivia und Nino schliefen längst in den Gästebetten. Tita und Neils neue Nachbarn verabschiedeten sich als Erste.
    »Wir sehen uns!«, sagte Vincent und verabschiedete sich von ihnen mit dem traditionellen Handschlag, ehe er zu Zanele in seinen Wagen stieg. »Unser Haus ist euer Haus«, lächelte Maya, »kommt bald.«
    Am nächsten Morgen wachte sie ganz kurz vor Sonnenaufgang im gelben Turmzimmer auf. lan schlief noch. Leise huschte sie zum offenen Fenster. Die weißen Musselingardinen blähten sich sacht im warmen Wind, ein Hauch von Rosa überzog das schimmernde Perlmutt des Himmels, über dem Meer zeichnete ein goldener Strich den Horizont nach und verhieß, dass bald die Sonne aus dem Wasser steigen und ein weiterer strahlend schöner afrikanischer Tag anbrechen würde.
    Sie hörte einen Laut und fühlte gleich darauf lans warme Hände in ihrem Nacken. Er küsste ihr Ohrläppchen, und sie bog den Kopf nach hinten und suchte seine Lippen. »Hmm«, schnurrte sie und drehte sich in seinen Armen.

    »Lass uns ausreißen und am Meer entlanglaufen und zusehen, bis die Sonne aufgeht«, flüsterte sie nach einer Weile, »ich habe so lange darauf gewartet.«
    Sie nahmen Titas Wagenschlüssel, legten ihr einen Zettel hin und schlüpften laudos aus dem Haus.
    Über die leeren Straßen fuhren sie hinunter zum Strand und parkten unter den ausladenden Zweigen eines Indischen Mandelbaums. In seiner Krone hockten drei lärmende Hadida-Ibisse. Der Strandweg neben der Cabana Beach war noch derselbe, das Pflaster schadhaft,
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    die vom ewigen Seewind gepeitschten Bougainvilleas zerzaust. Atemlos verharrte sie einen Moment. »Die Polizeistation ist verschwunden!«, rief sie aufgeregt und lief auf die Aussichtsterrasse des Restaurants, das stattdessen jetzt dort stand, blickte den schattigen Strand hinauf und hinunter.
    Feuchte Wärme stieg aus dem Sand auf, der Geschmack nach Salz und Seetang legte sich auf ihre Lippen, das Meer atmete ruhig. Es war Ebbe, die lang gezogenen Wogen rollten aus der Weite des Ozeans heran, leckten seufzend an den Strand, gurgelten träge um das vorgelagerte Riff, als wären auch sie noch von der Trägheit der Nacht erfasst. Im Osten wich das pflaumenfarbene Morgengrauen allmählich einem Strahlen, das aus dem Meer zu kommen schien. Ein singendes Schweigen war zwischen ihnen, sie liefen über den nassen Sand, brauchten keine Worte, um sich zu verstehen. Sie waren allein in der endlosen Weite, nur eine alte schwarze Frau, braun gekleidet, stand neben den Felsen am Rande des Ozeans. Eine einsame Gestalt, wie aus diesen Felsen gehauen, schwer, rund, erdverbunden. Sie stand da, die auslaufenden Wellen zerrten an ihr, aber ihre Beine waren fest im Sand verankert, und sie schien unverrückbar.
    Henrietta streifte sie mit einem
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