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Ins dunkle Herz Afrikas

Ins dunkle Herz Afrikas

Titel: Ins dunkle Herz Afrikas
Autoren: Stephanie Gercke
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Baumschlange entdeckte. In graziösen Schlingen hing sie im Astgewirr. Er duckte sich, wich ihr gerade noch aus. Hätte sie ihn erwischt, direkt in die Arterie getroffen, wäre er tot gewesen, bevor er den Boden berührt hätte, das wusste er von seinem Freund, der Schlangen fing, um sich sein Studium als Zoologiestudent zu verdienen - Schlangenland nannte er diese Gegend. Der Mann war jetzt hellwach, sein Organismus arbeitete auf Hochtouren. Ich werde es schaffen, mein Liebling, ich lass euch nicht allein! Sorgfältig achtete er auf jeden seiner Schritte, aufmerksam suchte er Pfad und Buschrand mit den Augen ab, hielt nach einer Möglichkeit Ausschau, dem Mann, der ihn wie einen Hund an der Leine führte, zu entkommen. Der Weg wand sich unter ein paar Bäumen entlang, vertrocknete Blätter raschelten unter ihren Schritten.
    Sie döste ein paar Meter vor ihm, das braungelbe Diamantmuster ihrer Schuppen vermischte sich so vollständig mit dem sonnengesprenkelten, toten Laub, dass er sie nur durch Zufall entdeckt hatte. Er erschrak. Eine Gabunviper. Der Mann hatte eine solche Schlange erst einmal gesehen. Sein 11
    Freund, der seine Doktorarbeit über diese Schlangenart schrieb, hatte sie gefangen. Er hielt die Viper am Kopf, zwang ihr Maul auf, und die fast fünf Zentimeter langen Giftzähne waren wie gebogene Injektionskanülen aus ihrem Ruheplatz im oberen Kiefer heruntergeklappt. Er massierte ihre Giftdrüsen, bis das Gift der Viper in einem scharfen Strahl herausspritzte und im Nu ein halbes Sektglas
    füllte.
    Ohne sie aus den Augen zu lassen, ging der Gefesselte auf die perfekt getarnte Schlange zu, wich ihr nur knapp aus, wusste, dass die Ga-bunviper friedfertig war und sich auf ihre Tarnung verlassen und nicht rühren würde, hoffte, dass sein Hintermann sie zu spät bemerken und auf sie treten würde. Sein Herz hämmerte, als er auf den Aufschrei des Mannes hinter ihm wartete, und er dachte nicht eine Sekunde darüber nach, dass er ihn zu einem qualvollen Tod verurteilte.
    Trockenes Auflachen antwortete ihm. »Lass das, Bürschchen«, sagte der Wildhüter, »ich hab sie lange vor dir gesehen.« Er zerrte an dem Strick, riss die Arme des anderen höher.
    Der Gefangene stöhnte vor Schmerz, als sich durch die Bewegung seine Wunde am Hals ruckartig dehnte. Die Enttäuschung sickerte wie Gift in seine Knochen, machte ihm die Knie weich, er fühlte seinen Widerstand nachlassen. Mühsam zwang er sich weiterzumar-schieren. Sein Puls blieb hart und schnell.
    Immer war er ihnen Stunden voraus gewesen, durch den Busch geführt von kundigen Männern aus dem Stamm der Zulus, namenlosen Begleitern, die jeden Schritt in dieser wilden Gegend im Norden von Zululand kannten, jeden Wildpfad abseits der Straßen. Sie lasen in den Sternen, benutzten Sonne und Mond als Kompass, geknickte Zweige, abgerissene Blätter als Wegweiser. Nachts verschmolzen sie mit den Schatten, tagsüber waren sie der trockene Holzstumpf dort oder Teil jenes umKhulu-Baums, nicht zu unterscheiden von dessen braun gefleckter Borke. Sie hielten geheime Zwiesprache mit der Natur, verstanden, was der Honigvogel ihnen zurief, wenn er aufgeregt flatternd den Weg zum Bienennest wies, antworteten dem höh-12
    nischen Gelächter der Hyänen. »Ha, du Aasfresser, yebo, mpisi - ja, Hyäne, lach nur, wir fürchten dich nicht!«
    Jeder der Männer begleitete ihn ein Stück des Weges, reichte ihn dann weiter an den Nächsten. Der letzte war ein älterer Mann mit ergrauten Pfefferkornhaaren und überaus lebendigen Augen gewesen. Kein Gramm Fett polsterte seine Knochen unter der ledrigen Haut. Barfuß lief er vor ihm durch den Busch, seinen Blick fest auf den Boden geheftet. Außer einer kurzen Begrüßung wechselte er kein Wort mit seinem Schützling. Nur als der überhitzt und müde auf einer Rast bestand und den dichten Schatten des Mdhlebe-Baums suchte, hielt ihn der Zulu davon ab.
    »Der Baum beherbergt das Böse, er spricht zu dir und macht dich verrückt, bis du hin und her schwankst und vergisst, wer du bist.« Damit rannte er weiter, leichtfußig, kein Schweiß verfärbte sein verblichenes Kakihemd. Manchmal sang er, eine seltsame Weise, zart wie der Windhauch, der durch die Blätter strich, beruhigend wie das Murmeln eines Bächleins, verführerisch wie die Töne einer Sirene, und ließ den Mann, der Mühe hatte, ihm zu folgen, obwohl er Jahrzehnte jünger sein musste, vergessen, dass er um sein Leben rannte. Nachts schlief der Zulu eingerollt in seine
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