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Innere Werte

Innere Werte

Titel: Innere Werte
Autoren: Kerstin Hamann
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Förderschnecken angehoben, damit es die mechanischen und biologischen Reinigungsstufen in freiem Gefälle durchlaufen kann. In der Regel laufen nicht alle vier Schneckenpumpen. Meist zwei oder drei. Sie müssen sich vorstellen, dass hier durchschnittlich fünfzig Millionen Liter Abwasser täglich ankommen. Das sind zirka eintausend Liter pro Sekunde. Wenn der Wasserstand, bedingt durch Regen steigt, wird eine der größeren Schneckenpumpen automatisch zugeschaltet, außerdem laufen sie dann auch schneller. Die Vierte ist als sogenannte Standby-Redundanz gedacht, damit die Anlage im Fehlerfall weiterarbeitet. Wir nennen das fail-operated .« Sie lächelte müde. »Sie sehen, auch bei uns haben die englischen Begriffe Einzug gehalten. Naja, auf jeden Fall können sie sich sicher denken, wenn so eine Anlage nicht zuverlässig arbeitet, gibt es richtige Probleme.« Sie seufzte und dachte an die Leiche. Ein Problem ganz anderer Art. Eins, von dem sie sich zwar nie hätte träumen lassen, von dem sie aber sicher Albträume bekommen würde.
    »Gibt es sonst noch etwas zu diesen Pumpen zu sagen?«, riss Michael sie aus ihren Gedanken.
    »Ich weiß nicht.« Sie überlegte. »Diese Pumpen haben zum einen eine große Lebensdauer, manchmal mehrere Jahrzehnte, und zum anderen müssen sie nicht viel gewartet werden. Am Wesentlichsten ist aber sicher, dass sie größere Feststoffe transportieren können, die andere Pumpen sonst verstopfen würden. Das liegt an ihren großen Gangweiten und der offenen Bauweise.«
    »Wenn die ankommenden Teile aber doch zu groß sind, schalten die Motoren dann automatisch ab?«
    »Ja, aber da muss schon was richtig Großes kommen. Deshalb ist es mir ein Rätsel, warum sie diesmal abgeschaltet hat.« Georgia schüttelte nachdenklich den Kopf, während Martin fragend die Stirn krauste. »Ich würde annehmen, dass die Schneckenpumpe kein Problem mit Knochen hat«, erklärte sie dem Kommissar. »Gott, was rede ich da für schreckliches Zeug?«, sagte sie mehr zu sich selbst. »Aber ich weiß wirklich nicht, warum das Aggregat blockiert hat. Sie müssen sich mal vorstellen, welche Kräfte da wirken. Die Schnecke wiegt etwa fünfzehn Tonnen und dreht sich mit zwanzig Umdrehungen in der Minute. Die kriegt fast alles klein. Der Schäferhund eines Kollegen ist mal in die Schnecke geraten, weil er Ratten gejagt hat. Da war nichts mehr zu machen. In null Komma nichts war er zerstückelt.« In Erinnerung an diesen Vorfall, schüttelte sie mit geschlossenen Augen den Kopf, als könnte sie die hervorgerufenen Bilder damit abschütteln. Dann fuhr sie fort. »Aber auch andere Dinge kamen hier schon angeschwemmt. Das größte war mal ein Kühlschrank. Da hatten wir Hochwasser und das Ding wurde ein gutes Stück weit von der Schnecke nach oben transportiert, bevor der Motor stehen blieb. Die Bleche waren zwar verbogen, aber trotzdem haben wir gestaunt, dass das möglich war. Dieses Schneckenpumpwerk ist schon ein gewaltiges Teil.«
    »Sind diese Bleche scharfkantig?«, wollte Martin wissen.
    »Ursprünglich nicht. Sie haben eine Stärke von zirka zehn Millimetern. Wenn sie allerdings älter sind, so wie bei uns, nimmt die Stärke an den Kanten ab. Vielleicht auf drei Millimeter. Und dann sind sie natürlich scharf. Aber wie gesagt, abgesehen davon, hätte der Körper komplett durchlaufen müssen.« Sie blickte die Beamten betroffen an. »Dann hätte wahrscheinlich niemand was davon mitbekommen. Ehrlich gesagt, wäre mir das fast lieber gewesen. Ich weiß nicht, wie Neumann und Hagedorn das verarbeiten werden.« Die Sorge um ihre Mitarbeiter stand ihr offen ins Gesicht geschrieben.
    »Wie viele Leute arbeiten hier?«
    »Ungefähr sechzig.«
    »Und es ist rund um die Uhr jemand da?«
    »Ja, wir arbeiten im Wechselschichtbetrieb. Nachts sind natürlich wesentlich weniger Leute hier. In der Regel fünf Mitarbeiter. Ein Schichtleiter, der die Schaltwarte kontrolliert, und vier Kollegen, die die Bereiche Maschinen-, Abwasser- und Elektrotechnik abdecken.«
    »Können Sie uns bitte eine Liste aller Angestellten mit ihren Aufgabenbereichen geben?«
    »Denken Sie, einer von ihnen …?« Georgia riss die Augen auf. »Unmöglich!«
    Fast hätte Martin geantwortet: Nichts ist unmöglich. Sagte aber stattdessen: »Wir müssen einfach einen Überblick bekommen.«
    Georgia versprach, die Liste sofort anzufertigen, und fragte: »Sagen Sie Herr Kommissar, wie lange werden Ihre Leute hier beschäftigt sein? Ich müsste wissen, wann
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