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Innere Werte

Innere Werte

Titel: Innere Werte
Autoren: Kerstin Hamann
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herumging? Er entschied sich dagegen und stapfte mit hochgezogenen Schultern schnell weiter. Kurz darauf stand er am Fuß der vier großen Schneckenkörper, die sich vor ihm schräg nach oben in die Höhe schoben. Während sich drei von ihnen gleichmäßig drehten, stand die rechte Metallschnecke still. Er sah, dass am Ende irgendetwas zwischen den Blechen hing, konnte aber nicht erkennen, was es war. Langsam stieg er die Stufen neben dem Pumpwerk hoch. Als er nur noch drei Meter von dem Hindernis entfernt war, bot sich ihm ein grauenhaftes Bild und Werner hatte das Gefühl, als gefriere ihm das Blut in den Adern. Für einige Sekunden stand er stocksteif und schaute auf das, was ganz offensichtlich einmal ein Mensch gewesen war. Geistesgegenwärtig rannte er die Stufen wieder herunter, um das Gebäude herum, riss die Tür zum Rechenhaus auf und stürzte auf die Grobrechen zu. Er schlug auf den roten Notschalter, um den ersten von ihnen auszuschalten. Er starrte in das Gerinne vor dem Rechen und suchte mit den Augen nach weiteren Körperteilen. Nichts! Er stellte den Rechen wieder an und stoppte den zweiten. Da! Im Wasser schwamm etwas. Er meinte, irgendwelche undefinierbaren menschlichen Überreste zu erkennen. Werner wollte wegrennen, aber er war wie angewurzelt und begann zu zittern. Übelkeit stieg in ihm auf und er klammerte sich am Geländer fest. Es dauerte mehrere Minuten, bis er sich soweit im Griff hatte, um das Rechenhaus wieder verlassen zu können. Da kamen ihm nacheinander seine Männer entgegen, die er mit sich zurück ins Gebäude nahm, wo er die Polizei verständigte.
    Fünfzehn Minuten später traf ein Streifenwagen ein. Die Beamten ließen sich vom Schichtleiter das Schneckenpumpwerk zeigen. Einer von ihnen musste sich sofort abwenden und übergeben. Der andere rief die Mordkommission.

2
     
    Hartnäckig versuchte die Melodie seines Diensthandys, ihn aus der Traumwelt zurück in die Realität zu holen. Das war nicht leicht, denn Kriminalhauptkommissar Martin Sandor lag erst seit drei Stunden im Bett und befand sich in der Tiefschlafphase. Doch nach unermüdlichen Wiederholungen der Melodie von Who wants to live for ever von Queen drang der Ruf nach Hilfe auch in sein Bewusstsein ein. Im Dunkeln tastete er nach dem Apparat und meldete sich mit verschlafener Stimme. Ein Kollege vom Kriminaldauerdienst informierte ihn über den Leichenfund in der Kläranlage. Zeit für Martin, sich aus dem Bett zu schälen.
    Fünfzehn Minuten später steuerte er seinen blauen Opel Insignia durch die nächtlichen Straßen von Wiesbaden, nachdem er die drei Leute seines Teams ebenfalls aus den Federn gescheucht hatte, damit auch sie sich auf den Weg machten. Kaum ein Wagen kam ihm entgegen.
    Kein Wunder, dachte er, um die Uhrzeit geht ja kein Hund vor die Tür.
    Im Lichtkegel seiner Scheinwerfer glitzerte die Straße noch feucht vom Regen. Gut, dass es inzwischen aufgehört hatte. Martin hasste es, an einem Tatort im Regen herumlaufen zu müssen. Von der Vernichtung eventueller Spuren ganz zu schweigen.
    Er fuhr vorbei an dunklen Häusern, wo die Menschen friedlich schliefen, und wünschte sich zurück in sein warmes Bett an die Seite seiner Frau. Inzwischen war es vier Uhr und er fragte sich, wie lange es wohl dauerte, ehe er wieder eine Mütze voll Schlaf bekommen würde. Nächtliche Einsätze waren für ihn nichts Neues. Aber so richtig daran gewöhnt hatte er sich nie. Er konnte bis zu sechzig Stunden wachbleiben, wenn es sein musste. Nach solchen Aktionen dauerte es allerdings zwei Tage, bis sich sein Biorhythmus wieder normalisiert hatte.
     
    Fünfzehn Minuten später bog der Kommissar von der Mainzer Straße in den Theodor-Heuss-Ring ein und erreichte den Tatort. Er stellte seinen Wagen am Straßenrand zwischen mehreren Streifenwagen ab und ging am Zaun entlang. Seine drei Kollegen, Michael Pichlbauer, Paul Fischer und Dieter Hinz, die im K11 zu seinem Team gehörten, waren bereits vor Ort. Ihre Wagen parkten ebenfalls auf dem Bürgersteig. Durch das blaue Gitter des Metallzauns konnte er auf das Klärwerk herunterschauen. Es lag eingebettet im Tal und war in seiner Größe ziemlich beeindruckend. Zwar war Martin hier schon des Öfteren vorbeigefahren, hatte aber nie einen genaueren Blick riskiert. Jetzt, in der Dunkelheit, war das ganze Gelände von Scheinwerfern und Laternen in ein grünlich-gelbes Licht getaucht und hob sich bizarr von seiner Umgebung ab. Zur Rechten sah Martin einen steilen Hang, der am
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