Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Innenhafen

Innenhafen

Titel: Innenhafen
Autoren: Ursula Sternberg
Vom Netzwerk:
meine Bemerkung als Anerkennung interpretiert.
    War es das gewesen? Anerkennung? Ich wusste es nicht so recht.
    »Früher gab es hier Kais und Schiffe und Hebekräne und altes Gerümpel«, sagte ich langsam. »Als ich klein war, bin ich öfter zum Spielen hergekommen.«
    »Echt?«, hauchte Ines. »Das hätte ich nie gedurft.«
    »Durfte ich auch nicht.« Ich lachte. »Bin aber trotzdem gerne hergekommen.«
    Eine Möwe ließ sich auf einem der alten Kräne nieder, die man dankenswerterweise stehen gelassen hatte.
    »Ich weiß nicht, ob ich diese Veränderung wirklich gut finde.« Ich sah aus dem Fenster. Ein Kind warf ein Stück Brot in hohem Bogen in Richtung des Kranes. Die Möwe stieß sich von ihrem luftigen Platz ab und schwebte zu Boden. Ich beobachtete, wie sie das Brotstück aufpickte und gleichzeitig ungeniert einen grünlichweißen Haufen auf die Steine der Uferpromenade fallen ließ. Unwillkürlich musste ich grinsen. »Es wirkt einfach so wie ›Möchte gern Hamburg sein, aber kann nicht so recht‹«, sagte ich, ein Zwinkern in der Stimme.
    »Was?«, protestierte Ines, die das Zwinkern offensichtlich nicht bemerkt hatte. »Also das Schmuddelloch früher war ja wohl kaum besser!«
    Auweia. Da war ich wohl auf eine lokalpatriotische Landmiene getreten.
    »Auf jeden Fall gab es damals keinen so leckeren Pinot Gris hier.« Versöhnlich lächelte ich sie an und prostete ihr zu. »Auf die alten Zeiten!«
    »Auf die alten Zeiten.« Sie prostete zurück.
    Ich sah zu, wie sich der Himmel am gegenüberliegenden Ufer rosig verfärbte, direkt über den alten Speichern, in denen sich mittlerweile Museen und teure Lofts befanden.
    »Warum bist du eigentlich nicht mehr zu unseren Treffen gekommen?«, fragte Ines schließlich leise. »So weit weg wohnst du doch gar nicht.«
    »Stimmt. Essen ist nicht gerade das andere Ende der Welt«, gab ich zu. Dann zuckte ich mit den Schultern. »Tja, warum? Ich weiß es nicht genau, wenn ich ehrlich bin. Wahrscheinlich waren andere Sachen im konkreten Moment immer irgendwie wichtiger als ein Treffen mit alten Schulfreunden …« Nachdenklich betrachtete ich sie.
    Sie errötete unter meinem Blick und biss sich auf die Lippen.
    »Bitte nimm’s nicht persönlich«, schob ich hinterher. »Es war keine Entscheidung gegen euch, sondern für etwas anderes.« Stimmte das wirklich? Ich würde mich damit auseinandersetzen müssen, irgendwann, denn es war meinen ehemaligen Freunden gegenüber unerklärlich schroff und ungerecht, so viel wurde mir langsam klar.
    »Ist schon gut.« Ines blinzelte mich an. »Du konntest ja nicht wissen, dass Volker auch nur ganz selten gekommen ist.«
    Touché. »Wie kommst du denn auf die Idee, es hätte was mit Volker zu tun gehabt?« Ich warf ihr einen bösen Blick zu.
    »Ist ja egal«, sagte Ines schnell. »Auf jeden Fall habe ich mich gefreut, dich wiederzusehen.«
    »Das mit Kurti ist mir ganz schön nahegegangen«, bekannte ich. »Habt ihr in den letzten Jahren eigentlich auch noch Kontakt gehabt?«
    Ines strich sich ihre blonden Locken aus dem runden Gesicht. »Nicht richtig oft, aber doch regelmäßig. Gerda, Matthes, Kurti und ich. Und später dann auch Barbara, als sie nach ihrer Scheidung aus den USAzurückgekommen ist, da hatte sie doch hingeheiratet. Also, wir haben uns so alle paar Monate mal getroffen. Sind essen gegangen oder einen trinken, haben ein bisschen geklönt. Öfter habe ich die anderen aber auch nicht gesehen.«
    Immerhin erheblich öfter als ich, dachte ich. Aber ich sprach es nicht aus. »War der Kurti nicht bei der Post?«, fragte ich stattdessen. Ich erinnerte mich dunkel, dass er diese Laufbahn nach dem Abitur hatte einschlagen wollen.
    »War der nicht bei der Post?« Ines lachte. »Wie das klingt!« Sie glättete eine Falte auf dem Tischtuch. »Nein, er war nicht bei der Post. Er ist zur Bank gegangen.«
    Ein Banker? Unser Kurti? Das passt doch gar nicht! Auch diesen Gedanken behielt ich für mich.
    »Außerdem war er schon lange nicht mehr Kurti«, fuhr Ines fort.
    »Nein?« Ich war überrascht. »Warum denn nicht? Ich bin doch auch immer noch Toni.«
    »Ja,  du .« Der Blick, mit dem Ines mich bedachte, war nicht gerade freundlich. »Kurti wollte irgendwann einfach nicht mehr Kurti genannt werden. Wenn du so willst, ist er doch noch erwachsen geworden.«
    Irritiert versuchte ich, die unterschwelligen Töne zu sondieren.  Ja, du. Und?  Erwachsen geworden …  Was sollte das denn jetzt, nach fast dreißig Jahren? Erwachsen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher