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Inmitten der Unendlichkeit

Inmitten der Unendlichkeit

Titel: Inmitten der Unendlichkeit
Autoren: David Gerrold
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weinen.

 
Fanfare
     
     
    Es gab noch eine Sache zu erledigen.
    Es dauerte sechs Wochen, bevor sie soweit waren, und selbst zu diesem Zeitpunkt war erst die Hälfte der Instandsetzungsarbeiten durchgeführt. Aber eine Reihe von Erprobungsflügen stand auf dem Dienstplan, und Korie hatte entschieden, daß er die Gelegenheit nutzen wollte.
    Um genau achtzehnhundert Uhr erreichte das Schiff die vorgesehene Position. Korie hatte seine Paradeuniform angelegt und betrat die Brücke. Er blickte sich um und bemerkte, daß alle anwesenden Besatzungsmitglieder ebenfalls ihre Paradeuniformen trugen. Selbst Brik. An dem riesigen Morthaner wirkte die Uniform auf seltsame Weise… bizarr – aber wenn Brik sich darin unwohl fühlte, so ließ er sich jedenfalls nichts anmerken.
    »Ist dies die Stelle?« fragte Korie seine Astrogatorin.
    Tor nickte. »So nah, wie wir es berechnen konnten.«
    »Gut«, erwiderte Korie. Er stieg die Stufen zur Zentrale hinunter und blickte auf den großen Frontschirm. Draußen leuchtete ein leeres Sternenfeld.
    »Mister Jones? Ist das Paket fertig?«
    Jonesy nickte und erhob sich. Ringsum auf der Brücke und in der Zentrale erhoben sich die anderen Offiziere ebenfalls. Tor. Green. Goldberg. Hodel.
    »Fangen Sie an, Mister Jones.«
    Jones beugte sich über sein Kontrollpult und drückte auf einen Knopf. Ein leiser Schlag ging durch den Boden der Sternenwolf. Einen Augenblick später kam auf dem Frontschirm ein Gegenstand in Sicht. Es war ein Kranz. Ein großer, grüner Kranz, der in den hellen Scheinwerfern der Sternenwolf leuchtete.
    Hodel berührte einen Knopf auf seinem Pult, und leise, langsame Musik begann zu spielen. Er hatte extra für diese Zeremonie ein neues Arrangement geschrieben. Zuerst ertönte der gleichmäßige Rhythmus einer militärischen Trommel, gefolgt vom klagenden Ton eines Horns; es klang schwach und entfernt – und dann schwoll der Rest der Instrumente an. Korie konnte beinahe die Worte hören: »Oh, I wish I were in the land of cotton. Old times there are not forgotten. Look away, look away, look away, Dixieland… «
    Langsam hob Korie die Hand zum militärischen Salut. Seine Offiziere ringsumher taten es ihm nach.
    Durch das gesamte Schiff, auf allen Stationen, in den Korridoren, im Frachthangar, im Maschinenraum, in der Farm, überall gedachten tapfere Männer und Frauen ihrer Kameraden. Alle standen in weißen Uniformen, und alle salutierten voller Stolz und grüßten die Besatzung der Houston ein letztes Mal. Und auf nicht wenigen Gesichtern zeigten sich Tränen.
    Dann war es vorüber. Korie senkte langsam die Hand und wandte sich vom Hauptschirm ab. Seine Kehle war wie zugeschnürt und schmerzte. Er fragte sich, ob eines Tages jemand anderes einen Kranz auf die Überreste der Sternenwolf werfen würde. Und ob die anderen dann ebenso stolz auf die Sternenwolf sein würden.
    Und welche Musik gespielt werden würde.
    »Mister Hodel«, räusperte sich der kommandierende Offizier schließlich. »Haben Sie inzwischen ein angemessenes Musikstück gefunden, das dieses Schiff repräsentieren wird?«
    »Jawohl, Sir, das habe ich. Die dritte Symphonie von Aaron Copland. Vierter Satz.«
    Korie betrachtete seinen Steuermann mit gehobener Augenbraue.
    »Ich fürchte, ich kenne das Stück nicht…«, begann er.
    »O doch, Sie kennen es«, entgegnete Hodel. Er berührte einen weiteren Knopf, und als die Sternenwolf sich langsam in Bewegung setzte, ertönte eine weiche Melodie auf der Brücke und im ganzen Schiff.
    Zuerst nur leise, schnelle Töne, dann setzten Blasinstrumente ein und schwollen zu einer dramatischen Fanfare an – und plötzlich erkannte Korie das gleiche stolze Thema, das er auf Lambdas Begräbnis gehört hatte. Er verstand nicht nur die Melodie, sondern auch die Bedeutung, die sich dahinter verbarg.
    Die Musik war vor langer Zeit und an einem fernen Ort geschrieben worden, und trotz des großen Grabens aus Zeit und Raum, der dazwischen lag, sprach sie beredt zu ihnen.
    Das Stück war nicht von einem Raumfahrer komponiert worden, und der Komponist hatte mit Sicherheit auch nicht an Raumfahrer gedacht, und doch… und doch… es beschrieb die Erfahrung, die die Herausforderung der Dunkelheit brachte.
    Das gleiche Thema hatte der Komponist für sein anderes, berühmteres Stück adaptiert: The Fanfare of the Common Man. Aber das symphonische Arrangement war noch viel großartiger. Es war ein Werk, das das Leben selbst ehrte. Die Musik schwoll an und erfüllte die
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