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Inkasso Mosel

Titel: Inkasso Mosel
Autoren: Mischa Martini
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schießen.«
    Grabbe stellte ein frisches Gedeck vor Degrich und schenkte ihm Kaffee ein. Walde erkannte den Mann nicht wieder. Nichts war von dem brutalen Geldeintreiber zu spüren. Ihm gegenüber hockte ein Mensch, der in naher Zukunft nichts vom Leben erwarten konnte außer einer wahrscheinlich langen Gefängnisstrafe.
    »Sollen wir außer Ihrem Anwalt noch jemanden benachrichtigen?«, fragte Walde.
    Degrich schaute ihn ungläubig an.
    »Was ist los?«, hakte Walde nach.
    Degrich schüttelte den Kopf. »Ich hab’ erwartet, dass ich was auf die Fresse krieg’, und jetzt sitz ich hier gemütlich beim Kaffee.«
    Walde verschwieg, dass er Genugtuung dabei empfunden hatte, als er sah, wie Gabi bei der Festnahme zugeschlagen hatte.
    »Wir sind auch nur Menschen, die mal eine Pause in einer gemütlichen Büroecke brauchen«, sagte Meier. »Besonders, wenn man sich die halbe Nacht um die Ohren schlagen musste.«
    »Was wird bloß aus meiner Frau und den Kindern?« Degrich ließ den Kopf hängen.
    Darüber hätte er besser vor der ganzen Inkassogeschichte nachdenken sollen, sagte sich Walde.
    »Sie waren der dritte Mann bei der Geiselnahme.« Meier nahm sich ein weiteres Brötchen aus dem Korb. »Der Geschäftsmann, der Ihnen aus dem Auto abgehauen ist, wird Sie ebenso wiedererkennen wie seine Frau, mein Kollege und der Bäcker, der gleich herkommen wird.« Meier sprach vollkommen emotionslos. »Sie haben befürchtet, dass Ihre beiden Komplizen bei der Verhandlung gegen Sie aussagen würden und da haben Sie Richter Harras erpresst. Dessen schwache Stelle war seine Tochter, das Einzige, das ihm nach dem Verschwinden des Sohnes und dem Tod der Ehefrau noch geblieben war.«
    Degrich ließ weiter den Kopf hängen und zeigte keine Reaktion.
    »Wir haben genügend Material in Hanna Harras’ Wohnung gefunden«, nahm Grabbe den Faden auf. »Nur ein Haar oder eine Hautschuppe von Ihnen genügen, um Sie per DNA zu überführen.«
    »Ich hab’ der Hanna beim ersten Mal ein Stück vom Zopf abgeschnitten und an Harras geschickt. Beim nächsten Mal sollte es ein Finger sein, wenn er nicht spurte.«
    Gabi fiel vor Überraschung das Brötchen auf den Rock.
    »Und dann?«, fragte Meier.
    »Richter Harras hat verstanden, dass es zwecklos war, die Polizei einzuschalten. Ich habe ihm deutlich gemacht, dass seine Tochter niemals hundertprozentig geschützt werden konnte.«
    »Und Harras hat sich tatsächlich unter Druck setzen lassen?«, fragte Gabi.
    »Wenn ich ihn selbst bedroht hätte, wohl nicht, aber seine Tochter war sein wunder Punkt. Der dachte, dass er es mit der Russenmafia zu tun hatte.«
    »Und warum haben Sie Hanna umgebracht?«
    »Ich wollte ihr nur ein wenig Angst machen. Weil sie Klavier spielte, bin ich auf die Idee mit dem Finger gekommen. Aber sie ist dermaßen ausgeflippt, als ich mit dem Messer gedroht habe.«
    »Gedroht?«, unterbrach ihn Gabi. »Sie hatte einen Schnitt im Finger!«
    »Richtig panisch ist sie geworden.« Degrich hob den Kopf. Er sprach jetzt sehr schnell. »Ich wollte sie nur festhalten. Wenn ich wirklich den Finger hätte abschneiden wollen, dann hätte ich das nicht mit dem Messer gemacht.«
    »Und dann haben Sie ihr das Genick gebrochen.«
    »Sie ist gestürzt, das wollte ich nicht …«
     
    Vor dem Haftrichter wiederholte Degrich sein Geständnis. Günther Hecht, sein Anwalt, schüttelte während der Ausführungen mehrmals den Kopf, ließ seinen Mandanten aber gewähren. Staatsanwalt und Richter waren beide in die Akten vertieft.
    Walde hatte immer noch den Pfefferminzgeruch in der Nase. Er saß mit Meier hinter Degrich und Hecht. In immer kürzeren Abständen befiel ihn das Gefühl, neben sich zu stehen. Seine Umgebung kam bei ihm an wie durch eine Amateurkamera mit verwackelten Bildern und übersteuertem Ton.
    »Der Hecht hat auch einen der beiden Erpresserkomplizen, die nun auf freiem Fuß sind, vertreten«, flüsterte ihm Meier zu.
    »Woher kriegt er eigentlich das Honorar, das der ihm schuldig ist?«
    »Zahlt alles Papa Staat. Aber blöd ist der Hecht nicht, obwohl er mehr Verstand versoffen hat, als der Haupenberg je hatte.«
    »Ich glaube, da tust du dem Haupenberg Unrecht.«
    Degrich berichtete, wie er sich finanziell mit dem Haus in Konz übernommen und die Inkassogeschichte als Nebenerwerb aufgezogen hatte. Wie einfach es war, die Schuldner unter Druck zu setzen und dass er seinen Forderungen höchst selten größeren Nachdruck verleihen musste. Erst im Falle des renitenten
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