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Inkasso Mosel

Titel: Inkasso Mosel
Autoren: Mischa Martini
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Neben ihm saß der Bäcker und blätterte eine Karteikarte nach der anderen durch. Nur noch wenige Fotos waren übrig.
    »Möchten Sie eine Pause einlegen?«, fragte Walde.
    »Ich kann mir Gesichter gut einprägen, das hab’ ich im Laden gelernt«, sagte der Mann. »Wie viele sind es noch?«
    »Das war die Hälfte«, antwortete Walde. »Die andere Hälfte habe ich heute Abend durchgesehen, darin habe ich ihn auch nicht gefunden.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    Walde wies auf sein Auge. »Das Veilchen hat er mir beigebracht.«
    »Derselbe?«
    »Ich vermute.«
    »Nicht zu fassen, der schreckt nicht mal vor Polizisten zurück.«
    Grabbe kam, zwei Kartons schleppend, zur Tür herein gehumpelt.
    »Und Sie?«, fragte der Bäcker Waldes Kollegen, der nach einem Platz suchte, wo er seine Last abstellen konnte.
    »Wie bitte?« Grabbe schaute ratlos.
    »Hat Sie der Russe auch..?«, der Mann klatschte die zur Faust geballte Rechte in die geöffnete linke Hand.
    »Mein Kollege ist mit dem Rad gestürzt«, löste Walde die Situation auf. »Was schleppst du denn da an?« Er nahm Grabbe eine Kiste ab und stellte sie auf den Boden.
    »Die sind noch nicht entsorgt worden.« Grabbe druckste herum. »Bevor sie in den Reißwolf kommen, könnten wir die Gelegenheit nutzen.«
    Walde leerte den Inhalt des ersten Kartons behutsam auf dem Boden aus. Nach wenigen Stichproben war ihm klar, dass diese Dokumente längst vernichtet gehörten. Sogar Fotos von Tatverdächtigen waren dabei, deren Unschuld sich später herausgestellt hatte. Als Walde aufblickte, wich Grabbe seinem Blick aus.
    Es lagen nur noch wenige Bilder auf dem Boden, als es Walde bei dem Foto eines Mannes mit Oberlippenbart durchzuckte. Er ließ sich nichts anmerken und deckte verstohlen die Partie unter der Nase des Mannes mit dem kleinen Finger ab. Dieser Blick, die hohen Wangenknochen, der Mund. Walde las den Namen: Degrich, Herbert. Er gab das Foto weiter. Es dauerte nur ein paar Sekunden. »Das isser!«
    *
    »Ihr seht Scheiße aus«, begrüßte Gabi gegen vier Uhr früh die beiden. »Und du ganz besonders«, sagte sie, zu Walde gewandt.
    »Danke.« Walde schnallte sich den Revolverhalter um. »Wir bringen es hinter uns, solange es noch dunkel ist.«
    »Vergiss es.« Gabis Worte schnitten scharf wie eine Sense Waldes weitere Argumentation ab. Verächtlicher konnte es niemand im ganzen Haus sagen.
    »Grabbe kann gerade mal humpeln, du bist froh, wenn du deine Augen auf Halbmast hältst, ich hab’ wie immer die falschen Schuhe an und Meier ist zu alt für Wettläufe«, Gabi schaute angriffslustig in die Runde.
    »Hast du mich schon mal laufen sehen?«, kommentierte Meier, der gerade reinkam, Gabis Analyse.
    »Ebenso wenig wie ich dich bisher hab’ lachen hören«, grummelte Gabi. »Dieser Russe …«
    »Er ist kein Russe«, sagte Grabbe genervt. »Er ist deutscher Staatsangehöriger und war Ende der Neunziger in eine Messerstecherei verwickelt. Das Verfahren wurde eingestellt, weil das Opfer seine Anzeige zurückgezogen hatte und die Staatsanwaltschaft das Interesse verlor.«
    »Warum gibt sich dieser Degrich als Russe aus?« Gabi durchwühlte ihre Handtasche.
    »Frag ihn, wenn wir ihn haben.« Grabbe hielt ihr Degrichs Foto unter die Nase. »Er wohnt in Konz und arbeitet in einer Weinkellerei in Grevenmacher.«
    »Dann schnappen wir ihn uns, wenn er zur Arbeit fahren will.« Gabi hatte endlich ihre Zigaretten gefunden.
    *
    Walde döste neben Grabbe im kalten Autositz. Dichter Nebel und das ein paar Meter vor ihnen stehende Fahrzeug schränkten ihnen die Sicht auf Degrichs dunklen Golf ein, der in der Garagenauffahrt seines Hauses stand. Sie hatten sich dafür entschieden, Degrich abzupassen, wenn dieser zur Arbeit fuhr, um ihn so zu überraschen. Grabbe hatte sich vorhin ans Haus geschlichen und den Motor des Golfs lahmgelegt.
    Gabi und Meier parkten weiter die Straße hinunter. Walde war sich nicht sicher, ob es Zigarettenqualm oder Nebel war, der ihren Wagen umwaberte.
    »Ich bin mal gespannt, wie viele seiner Kunden sich melden werden, wenn wir den Kerl geschnappt haben.« Grabbes Worte drangen von weither in Waldes Bewusstsein.
    »Mhm.« Zu mehr war er nicht fähig.
    »Und wenn er gar nicht zu Hause ist oder seine Frau den Golf fährt?«, fuhr Grabbe fort. »Dann sitzen wir hier für die Katz.«
    Walde spürte, wie seine Füße kalt wurden. Tante Martha hatte ihm früher mal erzählt, man könne mit kalten Füßen nicht einschlafen …
     
    Grabbe rüttelte ihn wach.
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