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Inkasso Mosel

Titel: Inkasso Mosel
Autoren: Mischa Martini
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Geschäftsmannes hatte er schwereres Geschütz auffahren müssen. Er hatte sich die beiden Komplizen praktisch von der Straße weg engagiert. Es waren Amateure, die mehr als Staffage dienten. Als Degrich damals am Morgen in die Wohnung eindrang, war überraschend die Ehefrau noch anwesend, was seine ganzen Pläne über den Haufen warf. Sie hatte sich ausgerechnet an diesem Tag nicht wohl gefühlt und war deshalb nicht zur Arbeit gegangen. Degrich musste seine beiden Helfer als Bewacher bei der Frau zurücklassen und allein mit dem Mann zur Bank fahren. In einem unkonzentrierten Moment war ihm dieser aus dem Auto entkommen.
    »Herzlichen Glückwunsch«, mit ausgestreckter Hand eilte der aufgeräumt wirkende Anwalt Hecht auf dem Gerichtsflur auf Walde zu.
    »Danke.« Walde schnupperte, aber keine Alkoholfahne wehte zu ihm herüber, als er Hecht die Hand schüttelte. Der Anwalt, ein Quartalssäufer, war in nüchternen Phasen meist zurückhaltend bis muffig, von bissigen Attacken abgesehen, zu denen er jederzeit vor Gericht fähig war.
    »Hat Doris alles gut überstanden?«
    »Sie wird noch zehn Tage im Krankenhaus bleiben müssen.«
    »Oh, das hätte ich nicht gedacht.«
    »Na, hören Sie mal, nach einem Kaiserschnitt würden Sie wahrscheinlich auch nicht am nächsten Tag ins Büro gehen.«
    »Ach«, Hecht lachte. »Da kann man ja gratulieren, was ist es denn geworden?«
    »Ein Mädchen, Mutter und Tochter sind wohlauf.« Walde überlegte, ob Hecht noch von der letzten Nacht betrunken war. »Doppelt gratuliert hält wohl besser?«
    »Nein, mein erster Glückwunsch war zur Scheidung. Das hat ja gerade noch geklappt, sonst wäre das Kind noch in der Ehe geboren worden.« Hecht registrierte das erstaunte Gesicht seines Gegenübers. »Ich gehe mal davon aus, dass ich jetzt nicht meine Befugnisse überschritten habe. Sie sind doch Doris’ Lebensabschnittpartner …«, Hecht kam ins Stottern. »… der Kindsvater? Hat Doris Ihnen etwa nichts von der Scheidung erzählt? Oh!« Hecht hielt sich die Hand vor den Mund.
     
    Walde sah, wie ein hagerer Mann, mit einer Robe bekleidet, an der Fahrstuhltür zu den dort wartenden beiden Justizbeamten und Degrich trat. Die Türen schoben sich auseinander und der Mann mit weißem Bürstenhaarschnitt stieg hinter den dreien ein. Walde überlegte eine Sekunde, dann stürmte er zur Treppe und rannte die Stufen hinunter. Unten sah er, wie die beiden Uniformierten aus dem Fahrstuhl gestoßen wurden. Bevor Walde es verhindern konnte, schlossen sich die Türen.
    »Er hat eine Waffe«, rief einer der beiden Justizbeamten, als Walde ihn erreichte. Die Menschen in der näheren Umgebung waren aufmerksam geworden und blieben neugierig stehen. Sie zuckten ebenso zusammen wie Walde, als der Schuss fiel.
    Walde lief zur Fahrstuhltür. Weitere dumpfe Schüsse hallten durchs Treppenhaus, sie kamen eindeutig aus dem Fahrstuhlschacht. Walde zählte fünf Detonationen.
    Er rannte zur Kellertreppe. Noch bevor er den ersten Absatz erreicht hatte, fiel der sechste Schuss, lauter als die vorherigen. Im Keller angekommen, sah Walde, dass die Fahrstuhltür geöffnet war. In der Kabine lag Degrich in Embryonalstellung zusammengekauert, mit dem Rücken zur Tür. Neben ihm in der Ecke lehnte regungslos Richter Harras.
    Walde roch beißenden Pulverdampf. Die Waffe glitt aus der herabhängenden Hand des Richters. Hart schlug sie auf dem metallenen Boden auf. Walde blickte in die leeren Augen von Harras, dann auf dessen linke Brustseite, wo sich die Robe noch dunkler färbte. Ganz langsam rutschte die hohe Gestalt an der Fahrstuhlwand nach unten, bis sie in sitzender Position verharrte. Unter Degrichs Körper breitete sich eine hellrote Blutlache aus.
    *
    Waldes Schlaf wurde von Träumen beherrscht. Er allein hatte das Volk von dem schrecklichen Drachen befreit. Die Menschen warteten draußen vor seinem Fenster, bis der Held wieder zu Kräften gekommen war. Sie wollten mucksmäuschenstill sein, obwohl sie ihre Freude kaum bändigen konnten. Walde verpasste nichts, solange er schlief. Erst wenn er wieder erwachte, würde das Fest beginnen.
     
    »Du solltest dabei sein, schließlich hast du den entscheidenden Anstoß zur Lösung des Falls gegeben.« Gabi rüttelte Walde an der Schulter. Aus einem Nebenraum klang das Stakkato eines Druckers. Keine Menschenmenge hatte sich vor seinem Fenster versammelt …
     
    Als Walde den großen Konferenzraum betrat, wusste er nicht, dass die Falten seines Hemdes ein Muster quer über
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