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Inka Gold

Inka Gold

Titel: Inka Gold
Autoren: Clive Cussler
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Wände fielen 15 Meter (49 Fuß) steil zum Wasser ab. War ein menschliches Wesen oder ein Tier erst einmal hineingestürzt, konnte es ohne Hilfe von außen nicht mehr entrinnen.
    Das tiefe Wasserloch inmitten des Kalksteins – ein Zenote, wie es in der Fachsprache genannt wurde – strahlte etwas Abstoßendes aus, eine widerwärtige Bedrohung, die die Tiere spürten und sich ihm deshalb nicht weiter als bis auf fünfzig Meter näherten. Eine grausige Todesahnung hing über dieser Stätte, und dies zu Recht. Der Ort war mehr als nur ein heiliger Brunnen, in dessen düsteres Wasser man bei lang anhaltender Dürre oder schweren Unwettern Männer, Frauen und Kinder als Opfer geworfen hatte. In uralten Legenden und Sagen wurde er als ein Sitz böser Götter bezeichnet, an dem sich eigenartige und unaussprechliche Geschehnisse zutrugen. Auch gab es Geschichten über seltene Kunstwerke, Handarbeiten und Skulpturen sowie Schätze aus Jade, Gold und kostbaren Edelsteinen, die angeblich in das furchtbare Loch geworfen worden waren, um die bösen Götter, die Unwetter verursachten, zu besänftigen. Im Jahre 1964 waren zwei Taucher in die Tiefen dieser Doline vorgedrungen und nicht wieder zurückgekehrt.
    Man hatte keinerlei Versuch unternommen, ihre Leichen zu bergen.
    Die Geschichte dieses Wasserloches begann im Kambrium, als die Gegend, in der es lag, Teil eines uralten Meeres war. Im Verlauf der folgenden geologischen Zeitalter bildeten die sterblichen Überreste zahlloser Generationen von Schalentieren und Korallen eine gewaltige Masse aus Kalk und Sand, die zu einer zwei Kilometer starken Schicht Kalkstein und Dolomit zusammengepreßt wurde. Dann, vor etwa fünfundsechzig Millionen Jahren, hob sich die Erde, und die Anden wurden zu ihrer heutigen Höhe aufgefaltet. Der aus dem Gebirge herabströmende Regen bildete ein riesiges unterirdisches Wasserbecken, das den Kalkstein nach und nach ausspülte. Dort, wo es sich in Tümpeln ansammelte, fraß sich das Wasser nach oben, bis die Erdoberfläche einbrach, so daß eine Doline entstand.
    In der feuchten Luft über dem Dschungel rings um diesen Einbruchtrichter zog ein Kondor träge seine Kreise. Sein Blick ruhte ungerührt auf einer Gruppe Menschen, die am Rande des Zenote arbeiteten. Mit seinen 3 Meter (10 Fuß) messenden, anmutig gewölbten Schwingen nutzte er geschickt die Luftströme aus. Mühelos schwang sich der mächtige schwarze Vogel mit der weißen Halskrause und dem kahlen, rosigen Schädel aufwärts, während er das Treiben am Boden verfolgte.
    Als er sich schließlich davon überzeugt hatte, daß hier kein Mahl zu erwarten war, stieg der Geier zur weiteren Beobachtung in noch größere Höhen, bevor er auf der Suche nach Aas gen Osten entschwebte.
    An diesem heiligen Brunnen hatten sich viele, noch ungeklärte Kontroversen entzündet, und nun hatten sich Archäologen hier versammelt, um in die geheimnisumwitterte Tiefe hinabzutauchen und die dort vermuteten Kunstgegenstände zu bergen. Die uralte Stätte befand sich unterhalb eines hohen Bergrückens in der Nähe einer großen Ruinenstadt am Westhang der peruanischen Anden. Die nahe gelegenen Steinbauten stammten von den Chachapoyas, einem Volk, das einen weitläufigen Verbund indianischer Stadtstaaten gegründet hatte, die etwa um das Jahr 1480 nach Christus von den Inkas erobert und ihrem Reich angegliedert worden waren.
    Der Staatenbund der Chachapoyas umfaßte etwa 400 Quadratkilometer (250 Quadratmeilen).
    Heute liegen die Städte mit ihren Tempeln, Festungsanlagen und Gehöften in einer weitgehend unerforschten, stark bewaldeten Gebirgslandschaft. Die Ruinen dieser großen Zivilisation deuten auf eine unglaublich rätselhafte Vermischung von Kulturen weitestgehend unbekannter Herkunft hin. Die Herrscher oder der Ältestenrat der Chachapoyas, ihre Architekten, Priester, Soldaten und die einfachen Bauern oder Stadtbewohner hatten keinerlei Aufzeichnungen über ihr Alltagsleben hinterlassen. Und auch die Archäologen mußten erst noch erforschen, wie ihre Verwaltungsbürokratie, ihr Rechtssystem und ihr religiöses Brauchtum ausgesehen hatten.
    Dr. Shannon Kelsey, die mit großen, weit aufgerissenen braunen Augen und hochgezogenen Brauen in das reglose Wasser starrte, war viel zu aufgeregt, um den kalten Hauch des Todes zu spüren. Obwohl sie, entsprechend gekleidet und zurechtgemacht, eine sehr attraktive Frau war, strahlte sie eine eher kühle und zurückhaltende Selbstgenügsamkeit aus, die auf die meisten
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