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Infam

Infam

Titel: Infam
Autoren: K Ablow
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hättest …«
    Die Messerspitze war keine dreißig Zentimeter mehr von meiner Brust entfernt. Ich hatte nur eine Chance. Wenn ich unvermittelt aufhörte, mich zu wehren, würde Garret von seinem eigenen Schwung auf mich zukatapuliert werden, sodass ich ihm im Fallen das Handgelenk umdrehen und ihn auf die Klinge ziehen konnte. Ich wollte ihn nicht töten. Die Erkenntnis, dass ich als Sieger aus einer grotesken Ödipus-Geschichte hervorgehen würde, entsetzte mich, doch mir blieb keine andere Wahl.
    Ich spürte, dass meine Kräfte nachließen. Die Klinge war kaum mehr als zwei Handbreit von meiner Brust entfernt. Ich musste handeln. Mit aller Kraft stemmte ich mich gegen Garret, drückte die Klinge ein paar Zentimeter von mir weg und richtete ihn für den Sturz aus. Ich sah in seine Augen, während ich im Bruchteil einer Sekunde den Griff plante, mit dem ich die Klinge in seine Brust stoßen und seine Aorta durchtrennen würde.
    Ich wollte gerade meine Arme nachgeben lassen, als ich einen dumpfen Schlag hörte. Stöhnend sackte Garret auf dem Boden zusammen.
    Als ich aufsah, erkannte ich Billy über mir mit einem Baseballschläger in seinen Händen. Der Ausdruck auf seinem Gesicht verriet eine Mischung aus Verwirrung und Wut. Ich war nicht sicher, ob er sich überhaupt bewusst war, was er tat. Er hatte den Baseballschläger hoch über seinen Kopf erhoben, und in seinen Augen loderte blanker Zorn. Ich war überzeugt, dass er im nächsten Moment dafür sorgen würde, dass ich ihn nie in eine psychiatrische Anstalt schicken könnte. Doch dann fiel sein Blick auf Garret. Er atmete tief durch und holte aus.
    »Tu’s nicht!«, schrie ich. »Es ist nicht seine Schuld.«
    Billy erstarrte, den Baseballschläger noch immer erhoben.
    Ich sah, dass seine Pupillen auf die Größe von Stecknadelköpfen zusammengeschrumpft waren. Speichel lief aus seinem Mundwinkel. Augenscheinlich strömte pures Adrenalin durch seine Adern. Dies war der Billy, den ich in jenem Moment gesehen hätte, als er in ein fremdes Haus einbrach, Feuer auf dem Bishop-Anwesen legte oder eine Katze erdrosselte. Dies war der Billy, der über Jason Sandersons Schulfreunde hergefallen war. Er war eins mit seinen Dämonen. »Du bist kein Mörder«, beschwor ich ihn. »Leg den Schläger weg.«
    Er reagierte nicht.
    Ich war nicht einmal sicher, ob er mich überhaupt gehört hatte. Ich zog meine Browning Baby aus der Hosentasche. »Billy«, sagte ich mit bebender Stimme. »Leg den Schläger weg. Sofort.«
    Er holte tief Luft und lehnte sich zurück.
    Ich entsicherte die Pistole, doch ich war nicht bereit, einen Schuss abzugeben, selbst als Billy seine Arme vorschnellen ließ, brachte ich es nicht über mich, den Abzug zu drücken.
    Der Baseballschläger sauste an mir und Garret vorbei, prallte von zwei Bäumen ab und landete im Laub. Billy sah mir ins Gesicht. »Irgendjemandem muss man schließlich vertrauen«, sagte er, dann beugte er sich vor und streckte mir seine Hand hin.
    Während Candace Julia tröstete, die offenbar echte Tränen vergoss, führte die Polizei Garret in Handschellen ab.
    Darüber hinaus nahmen die Officer auch einiges an Beweisstücken mit – Dinge, die ich in Garrets Schrank gefunden hatte, bevor die Polizei eingetroffen war, darunter ein Album voller Fotos von Julia. Sie schien nicht zu posieren, obgleich sie auf jedem ganz das makellose Model war. Wie es schien, hatte Garret die Aufnahmen ohne ihr Wissen gemacht. Einige von ihnen waren harmlos: Julia beim Spazierengehen im Garten des Anwesens auf Nantucket, beim Heranwinken eines Taxis in Manhattan, beim Reiten. Andere hingegen waren eindeutig aufreizend: Julia beim Sonnenbaden und Schwimmen in einem knappen Bikini, beim Ausziehen eines Sweatshirts, unter dem ein durchscheinendes T-Shirt zu sehen war, und beim Stillen von Brooke. Wieder andere überschritten die Grenze zur Erotik: Julia schlafend, nackt und nur halb verdeckt von einem weißen Laken. Julia als Silhouette hinter einer beschlagenen Duschkabinentür. Julia oben ohne, aufgenommen durch ein Fenster des familieneigenen Penthouse in Manhattan. Julia in inniger Umarmung mit North Anderson. Und ein letztes Bild, bei dem es mir noch immer kalt über den Rücken läuft, während ich gleichzeitig von Schuldgefühlen übermannt werde: Julia und ich bei einem leidenschaftlichen Kuss, in meinem Zimmer im Breakers.
    Die Officer nahmen auch einen Stapel Briefe mit, die in Garrets Schrank versteckt gewesen waren. Sie alle dufteten nach
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