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Infam

Infam

Titel: Infam
Autoren: K Ablow
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Julia hatte in dem geheimnisvollen Brief Yeats zitiert:
    Meine Versuchung ist verstummt.
    Hier an des Lebens Ende.
    In diesem Moment hatte ich endlich erkannt, dass Julia jenen Brief an Garret geschrieben hatte und nicht an ihre Therapeutin oder irgendeinen Geschäftspartner von Darwin. Sie hatte sich Garret zum Liebhaber genommen.
    Garret war es gewesen, der mich in einem Anfall von Eifersucht vor dem Mass General überfallen und einen Vers von Yeats zitiert hatte, bevor er mir ein Messer in den Rücken bohrte:
    Was wäre ihre Wahl gewesen, Gefang’ne ihrer selbst?
    »Guten Morgen«, sagte Garret leise.
    Ich sah zu ihm hinauf. Seine Brustmuskeln zuckten, während er rhythmisch seine Fäuste öffnete und schloss. Jede Faser seines Körpers war angespannt. »Tu es nicht«, flehte ich.
    »Sie wollen sie so sehr«, sagte er. »Sie können sie haben.«
    »Lass mich dir helfen«, bat ich.
    Er stieß ein schrilles Lachen aus und reckte seinen Hals zum dunklen Himmel empor, wie ein irres Tier, ehe er mit weit aufgerissenen Augen wieder zu mir herabsah. »Das hier geht auf Ihr Konto.«
    Übelkeit stieg in mir hoch. War es möglich, dass meine psychologische Strategie – die sexuelle Spannung im Haus zum Überkochen zu bringen – in Wahrheit eine unbewusste Methode gewesen war, mich meines letzten Rivalen um Julias Gunst zu entledigen? Darwin saß im Gefängnis unter Mordanklage. Garret könnte schon bald tot sein. Hatte ich geplant, Vater und Sohn gleichermaßen zu bezwingen? »Deine Mutter hat dich benutzt, Garret«, sagte ich. »Sie hat dich manipuliert. Genau wie sie es mit mir und North Anderson und wer weiß wie vielen anderen Männern noch getan hat. Das ist mir jetzt klar. Ich weiß, dass du nicht die alleinige Schuld an dem trägst, was mit Brooke passiert ist. Oder mit Tess.«
    Er schwieg.
    »Ich glaube, ich weiß, was passiert ist«, fuhr ich mit beschwichtigender Stimme fort. »Nachdem deine Mutter die Zwillinge zur Welt gebracht hatte, hat sie die ›besondere Beziehung‹ abgebrochen, die ihr beide hattet. Sie hatte jemand anderen, den sie lieben konnte. Brooke. Und Tess. Und wenn sie einen Schlussstrich zieht, dann tut sie es auch. Kaltherzig. Es ist grausam. Und es tut weh.«
    »Billy hat die Katze nicht umgebracht«, sagte er. »Das sollten Sie wissen. Sie mögen ihn.« Er hob einen Fuß vom Ast.
    »Bitte«, flehte ich.
    »Sie haben es so gewollt«, sagte er.
    Ich senkte den Blick und schüttelte den Kopf, während ich nach Worten rang, die Garret Hoffnung geben würden.
    »Leb wohl, Frank«, sagte Garret.
    Genau in dem Moment, als Garret von dem Ast sprang, sah ich hoch. Ich schloss die Augen und sah Billy Fisks Gesicht vor mir, während ich mich für das Geräusch wappnete, wenn sein Genick von der Wucht des Seils brach. Doch stattdessen fühlte ich plötzlich das volle Gewicht von Garrets Körper auf mir, sodass ich zu Boden geworfen wurde. Mein Kopf schlug auf der Erde auf, während die ansatzweise verheilten Muskeln in meinem Rücken aufrissen und ein stechender Schmerz durch meinen Körper schoss.
    Garret kauerte grinsend über mir – in der einen Hand ein Messer, in der anderen das Ende des Seils. Er zog sich die Schlinge über den Kopf und warf sie beiseite. »Es war nirgendwo festgemacht«, sagte er. »Das berühmte lose Ende. Sie hätten sich vergewissern müssen.«
    Ich griff nach meiner Waffe, doch Garret machte einen Satz auf mich zu, bevor ich sie zu fassen bekam. Ich konnte gerade noch mein Knie anheben, während er sich auf mich stürzte, sodass es mit voller Wucht in seinem Bauch landete und ihn für einen Moment außer Gefecht setzte.
    Das Messer fiel zwischen uns zu Boden.
    Wir griffen beide danach, doch seine Hand bekam es zuerst zu fassen. Ich packte sein Handgelenk und zwang ihn auf den Rücken. Ich hatte ihn fast am Boden, als er plötzlich mit dem Kopf gegen mein Kinn knallte. Es gelang ihm, einen seiner Arme meinem Griff zu entwinden, ehe er mir seinen Ellbogen ins Gesicht rammte und mich von sich herunterstieß.
    Er hockte sich auf mich, holte mit dem Messer aus und zielte auf meine Brust. Ich packte abermals sein Handgelenk. Er war stärker, als ich gedacht hatte. Die Klingenspitze kam immer näher.
    »Jene, gegen die ich kämpfe, hass ich nicht«
, zitierte er und drückte das Messer mit aller Kraft nach unten. »Yeats. Mein Lieblingsdichter.« Er verzog verächtlich den Mund. »Du hattest kein Recht, dich zwischen uns zu drängen. Wenn du uns doch nur in Frieden gelassen
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