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Indigosommer

Indigosommer

Titel: Indigosommer
Autoren: Antje Babendererde
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Wiege gelegt, hat Dad immer gesagt.«
    Ich dachte an den Blick, den Alec und Josh getauscht hatten, als der Junge mit dem langen Zopf an uns vorbeigegangen war. Mir war es so vorgekommen, als hätte in ihren Gesichtern Erkennen gelegen. Aber vielleicht hatte ich mir das auch bloß eingebildet.
    »Ich würde gerne mehr über die Indianer hier erfahren«, sagte ich. »Andere Völker, andere Regeln. Da kann man schnell ins Fettnäpfchen treten, ohne zu wissen, wieso.«
    »Ach, ich glaube, wir werden kaum mit denen zu tun haben.«
    »Schade«, sagte ich.
    »Sie interessieren dich wirklich, was?« Janice musterte mich mit schief gelegtem Kopf.
    »Ja, na klar. Morgen werde ich mir den Ort ansehen, vielleicht gibt es in La Push ja so etwas wie ein Museum.«
    Janice hatte gerade mühsam einen Zelthaken in den steinigen Boden geschlagen und hielt nun inne, den großen runden Stein noch in der rechten Hand. »Ihr Deutschen habt eine Menge übrig für unsere armen Ureinwohner, nicht wahr? Als wir mit Mom und Dad mal in Arizona bei den Navajos waren, da wimmelte es nur so von deutschen Touristen. Sie haben sich wie die Verrückten mit echt indianischem Türkisschmuck eingedeckt. Echt Made in Taiwan.«
    »Na ja«, sagte ich, »wir werden drei Wochen hier sein, an ihrem Strand. Ist es da nicht normal, dass man sich für sie interessiert?«
    Janice band eine Zeltleine an die bleiche Wurzel des großen Stammes, der hinter unserem Zelt lag wie ein Schutzwall. »Keine Ahnung. Ich vermute mal, das Einzige, was die anderen interessiert, sind die Wellen und...«Sie stockte und sprach den Satz nicht zu Ende.
    »Und was?«, fragte ich neugierig.
    »Sex, Drugs and Rock ´n´ Roll«, meinte sie mit einem vielsagenden Grinsen.
    Na toll, dachte ich, denn auch wenn Janice es im Scherz gesagt hatte, mit Sicherheit war da was dran. Sofort kehrte die Unsicherheit zurück, die ich bei unserer Abfahrt gespürt hatte. Ich musste aufpassen, dass ich mich nicht wie ein Kind benahm (was durchaus hin und wieder vorkam), sonst würden sie mich wie eines behandeln.
    »Verstehe.« Ich versenkte den letzten Zelthaken zwischen den Steinen und versuchte, die Sehnsucht zu unterdrücken, die mich plötzlich überkam. Wie gerne wäre ich jetzt mit meinen Freunden zusammengewesen. Mit meiner Clique. Mit Sanne, meiner besten Freundin, Per, Fine, Lukas und von mir aus auch mit Sebastian. Mit ihnen hatte ich mich immer wohlgefühlt. Ich kannte ihre Eltern und ihre Geschwister – sogar ihre Großeltern. Ich wusste, wie es in ihren Zimmern aussah. Ich kannte ihre Lieblingsbands, ihre Zukunftspläne, ihre Stärken und ihre Schwächen und wusste noch eine ganze Menge mehr über sie. Eben einfach alles, was man über gute Freunde wissen musste.
    Über Alecs Freunde wusste ich so gut wie gar nichts, außer dass sie Surfer waren und deutlich älter als ich. Aber ich würde die nächsten drei Wochen mit ihnen auskommen müssen, da führte kein Weg dran vorbei. Allerdings brauchte ich mich nur umzudrehen und auf das offene Meer hinauszuschauen und meine Bedenken verschwanden so schnell, wie sie gekommen waren. Aus mir musste keine Surferin werden. Ich konnte lesen, schwimmen gehen, lange Strandspaziergänge machen, meine neue Kamera austesten und meine Taschen mit Strandgut füllen.
    Vielleicht trog der erste Eindruck ja auch und ich konnte doch Bekanntschaft mit ein paar Einheimischen schließen. Ich war neugierig auf sie – wie sie heute lebten und wie sie früher gelebt hatten. Noch wusste ich gar nichts über die Quileute-Indianer, außer dass ihre Vorfahren sich in Wölfe verwandeln konnten. Aber das war möglicherweise bloß der Fantasie dieser Schriftstellerin entsprungen, die »Twilight« geschrieben hatte, den Vampirroman.
    Janice und ich pusteten gerade unsere Isomatten auf (Matte und Schlafsack hatte ich von Monica geborgt bekommen und beides war von superguter Qualität), als der Trupp mit dem nächsten Schwung Gepäck, Wasserkanistern und den Surfbrettern zurückkam, die aufrecht gegen den quer liegenden Ast des Unterschlupfes gestellt wurden. Fünf Bretter nebeneinander, nur das von Janice und meines waren noch nicht dabei. Vier der Bretter waren gleich lang, ungefähr zwei Meter, und eines war ein riesiges Ding, ich schätzte es auf etwa zwei siebzig. Das lange Brett leuchtete in den Farben der Rastafarian: Gelb, Grün, Rot und Schwarz.
    »Ein Longboard«, sagte Janice, als sie merkte, wie mein Blick an dem großen Surfbrett hängen blieb. »Und zwar ein
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