Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Incarceron

Incarceron

Titel: Incarceron
Autoren: Catherine Fisher
Vom Netzwerk:
bleibt, wo es ist.«
    Claudia sah ihn an. »Wie soll ich dir je wieder vertrauen?«

    Â»Das musst du.« Er legte einen seiner Finger an die Lippen und nickte. Dann durchquerte er mit langen Schritten die weiße Zelle, berührte das Kontrollfeld an der Tür und trat zurück.
    Zwei Soldaten stolperten Hals über Kopf herein. Der an Ketten hängende Rammbock vor ihnen stieß nur in die Luft. Schwerter wurden gezogen: ein scharfes, stählernes Sausen.
    Â»Bitte kommt doch herein«, sagte der Hüter huldvoll.
    Die Königin stand an der Tür, wie Claudia mit Schrecken sah, und sie trug einen dunklen Umhang. Hinter seiner Mutter hervor starrte Caspar sie erbost an. »Das werde ich Euch niemals vergessen«, knurrte er.
    Â»Sei still.« Seine Mutter setzte sich als Erste in Bewegung. Auf der Schwelle zögerte sie kurz angesichts der merkwürdig rüttelnden Energieschwankung und schaute sich um. »Faszinierend. Dann ist das also das Portal.«
    Â»In der Tat.« Der Hüter verbeugte sich. »Ich bin erfreut, Euch wohlauf zu sehen.«
    Â»Das wage ich zu bezweifeln.« Sia baute sich vor Finn auf, musterte ihn von oben bis unten, und ihr Gesicht wurde ganz bleich. Ihre roten Lippen pressten sich fest zusammen.
    Â»Ja«, sagte der Hüter mit Samtstimme. »Unglücklicherweise ist ein Gefangener entflohen.«
    Wutentbrannt wirbelte die Königin zum Hüter herum. »Warum habt Ihr das getan? Welche Art von Verrat habt Ihr im Sinn?«
    Â»Keine. Wir alle können unbeschadet aus dieser Sache herauskommen. Jeder Einzelne von uns. Ohne dass Geheimnisse verraten oder Morde begangen werden. Schaut her.«
    Er ging zum Kontrollschirm, tippte eine Kombination ein und trat wieder zurück. Claudia starrte ihn an, denn die Wand wurde schwarz und zeigte dann ein Bild, das sie nicht sofort erkannte. Sie sah eine riesige Halle, in der dicht gedrängt Höflinge
saßen und aufgeregt über den Skandal sprachen. Die gewaltigen Tische bogen sich unter Speisen, die nun niemanden mehr interessierten. Dienstboten standen klatschend und tratschend in kleinen, verängstigten Grüppchen beisammen.
    Es war ihre eigene Hochzeitsfeier.
    Â»Was tut Ihr da?«, zischte die Königin, doch es war bereits zu spät. Der Hüter begann: »Freunde!« Jeder Kopf im ganzen Raum hob sich. Gespräche verstummten, wortloses Erstaunen breitete sich aus. Nach Hunderten Jahren des Protokolls war der ausladende Bildschirm hinter dem Thron vermutlich in Vergessenheit geraten. Jetzt starrte Finn, eingerahmt von Spinnweben und mit einer Schmutzschicht bedeckt, den versammelten Hofstaat an.
    Â»Bitte vergebt mir das unglückselige Durcheinander des heutigen Tages«, sagte der Hüter mit ernster, gewichtiger Stimme. »Und ich bitte jeden von Euch  – Botschafter von jenseits der Meere, Höflinge, Herzöge und Sapienti, Ladys und Witwen  –, über diesen Bruch des Protokolls hinwegzusehen. Aber heute ist ein großer Tag, und ein altes Unrecht ist wiedergutgemacht worden.«
    Die Königin schien zu verblüfft, um irgendetwas zu sagen; Claudia fühlte sich genauso, doch sie griff nach Finns Arm und zog ihn eng an sich heran. Gemeinsam stellten sie sich den ungläubigen, faszinierten Gesichtern des Hofes, während ihr Vater sagte: »Seht her. Der Prinz Giles, den wir verloren glaubten, der Erbe seines Vaters, die Hoffnung des Hofes, ist zu uns zurückgekehrt.«
    Tausende Augen starrten Finn an. Er erwiderte die Blicke. In jedem von ihnen sah er ein kleines Licht, und er spürte, wie ihre gespannte Neugier und ihre Zweifel bis auf den Grund seiner Seele drangen. War es das, was es bedeutet, König zu sein?
    Â»In ihrer großen Weisheit hat es die Königin für nötig befunden,
ihn im sicheren Exil zu verstecken, um ihn vor einem Komplott gegen ihn zu schützen, das ihn mit dem Tod bedrohte«, fuhr der Hüter geschickt fort. »Aber nun endlich, nach vielen Jahren, ist diese Gefahr gebannt. Die Verschwörung wurde vereitelt, die Ränkeschmiede sind festgesetzt. Nun herrscht wieder Ruhe und Frieden.«
    Er warf der Königin einen kurzen Blick zu; ihr kerzengerader Körper strahlte mit jedem Zentimeter unbändigen Zorn aus, doch als sie anfing zu sprechen, klang ihre Stimme hocherfreut. »Meine Freunde. Ich bin entzückt! Der Hüter und ich haben so hart daran gearbeitet, dieser Bedrohung
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher